Tuesday, September 17, 2013

Elena Bashkirova – und ihr ‘Jerusalem International Chamber Music Festival’

Der Antrieb neue Verbindungn durch Musik zu bewirken mag in der Familie liegen, aber Elena Bashkirova, die mit Daniel Barenboim verheiratet ist, hat es als Gründerin und künstlerische Leiterin des Jerusalem International Chamber Music Festivals selbst geschafft, in der internationalen Kultur-Musikszene Akzente zu setzen.

“Ich hatte nie vor, Direktorin zu werden, es passierte rein zufällig“ sagt die dynamische Pianistin über ihr inspirierendes Vorhaben, das – für zwei Wochen jeden September – internationale und lokale Musiker durch eine intensive Zusammenarbeit vereint, die seit seiner Gründung im Jahre 1998 im Zentrum des YMCA Kultur Zentrums in Jerusalem steht.

Nach ihrer Rückkehr nach Hause in Berlin im Anschluss an das diesjährige Festival in Jerusalem, tauscht Bashkirova einige Gedanken über die Motivation ihrer Bemühungen aus:  “Wie Sie wissen, ist Jerusalem eine Art Wiege aller Kulturen – aber es blutet aus! Wir hatten diese recht intensive Unterhaltung mit einigen Journalisten und Freunden, als Daniel und ich ein IPO-Konzert [Israel Philharmonic Orchestra] in Jerusalem besuchten, wo viele wunderbare Solisten – Itzhak Perlman, Misha Maisky und Yefim Bronfman – auftraten. Während der Pause debattierten wir darüber, wie durch die wachsende Kluft und Isolierung die Kulturlandschaft der Stadt großen Schaden nimmt und dass – was nichts Neues ist – mehr und mehr Leute Jerusalem verlassen und dass etwas für diese besondere Öffentlichkeit getan werden sollte.”

“Und dann,” fährt sie fort, “fragte ich spontan, ob ich auf die richtige Unterstützung zählen könnte – und dafür sind viele Freunde im Musikgeschäft nötig, wenn sich eine Gelegenheit auftun würde.”  Sie erkennt: “Für diese international bekannten Künstler geht es nicht um Auftritte, die die Karriere ausbauen und sicherlich nicht um die Einnahmen, sondern um ein Zurückgeben  – und alle wollten, dass ich etwas dafür tun sollte. Bevor ich Daniel kennenlernte, hatte ich nie in Jerusalem gewohnt oder auch nur davon geträumt, hier mehr Zeit zu verbringen, aber Daniels Liebe für Jerusalem war eine Inspiration, er machte auch mir dieses schöne Land wichtig und bewusst.” Die enthusiastische Resonanz auf ihre Anfragen war überwältigend und ihre Stimme strahlt ein bisschen: “Innerhalb einer Woche hatte ich eine lange Liste von Musikern beisammen.” Zuerst fanden die Auftritte im kleineren Khan Theater statt und dann im vollständig ausgereiftem Stadium, nahme das Festival die größere Konzerthalle des YMCA Gebäudes in Anspruch.

Bis zum heutigen Tag hat das Festival die beitragenden Auftretenden nie bezahlt – keinem geht es ums Geld. Neben der Begleichung der Reisekosten der Künstler sorgt das Festival als Gastgeber für die Musiker im benachbarten Mishkenot Sha’ananim, dem Jerusalem Music Center und bietet gemeinsame Abendessen an einer sehr langen Gemeinschaftstafel. Diese spezielle künstlerische Kooperation, die familiäre Atmosphäre und die Freude am Auftreten vor einem leidenschaftlich ergebenem und wissbegierigem Publikum wie auch das Beitragen zur Jerusalemer Künstlerszene ist es, was die Künstler an diesem Festival anzieht und es von anderen unterscheidet. “Und dann gibt es natürlich den Schneeballeffekt,” sagt Bashkirova, “die gleichen Leute sorgen dafür, dass noch mehr kommen.”

Die Anziehungskraft verläuft in zwei Richtungen. Für die jüngeren Künstler, ist es eine Chance, zusammen mit hervorragenden, weltbekannten Auftrittskünstlern zu spielen, aber es gibt auch den bekannteren Künstlern die Gelegenheit junge Talente kennenzulernen, die sie durchaus bei internationalen Auftritten in Berlin, Wien oder Verbier wiedersehen können.  Schließlich handelt es sich um eine kleine Welt, wie der weltbekannte Auftrittskünstler András Schiff, der auch bei dem diesjährigen Festival auftrat, in einem Interview mit der deutschen FAZ nach dem Auftritt im letzten Jahr mitteilte. Der Meisterpianist beschreibt seine Freude mit vielen seiner alten Freunde aufzutreten, während er die talentierte, junge Generation erlebt und gemeinsam ein breitgefächertes Repertoire erkunden.

Maestro Barenboim selbst erwies sich angesichts seines grossartigen Netzwerkes internationaler Musiker bei Bemühungen als unbezahlbar; die Partnerschaft war eine Art Anstoß für Bashkirova: ”Dank ihm habe ich dies angefangen.” Bis jetzt ist Barenboim selbst nur zweimal auf dem Festival seiner Frau aufgetreten. “Er stellte sich zur Verfügung, wann immer er Zeit hatte,” sagt Bashkirova, deren Sohn Michael Barenboim, selbst ein vielversprechender Violinist, ist häufiger als Teilnehmer bei ihrem Festival anzutreffen. “Aber ich verlasse mich nicht auf Daniel, er ist die Kirsche auf der Torte.” Bashkirova gesteht einige kontroverse öffentliche Reaktionen vom rechten Flügel zu seinen Auftritten ein, die sie nicht zu beeindrucken scheinen. “Wir sind auf der gleichen Seite in dem, was richtig und was falsch ist! Er kritisiert israelische Politik oft heftig, aber nur aus Liebe zu diesem Land!”

Ihre eigenen, das Festival betreffenden Ambitionen beziehen sich (ziemlich auf gleicher Linie mit Barenboims eigenen Anstrengungen) darauf, Jerusalems internationalen kulturellen Status durch Musik einzufordern ohne sich jedoch auf die Tücken politischer Agendas einzulassen und auf die Ressentiments, die diese hervorrufen. Musik sollte ohne Grenzen sein. Gleichermaßen wichtig in der Mission der anerkannten russischen Pianistin, die sich bei vielen der Konzerten des Festivals selbst auch herausragend engagiert, ist die Integration des zeitgenössischen Repertoires in die etablierten Meisterstücke. “Seit wenigsten zehn Jahren geben wir unsere eigenen Werke von zeitgenössischen israelischen und internationalen Komponisten in Auftrag,” führt sie an.  Die Programmgestaltung des Festivals folgt ihrem Rezept, ein breites Spektrum alter Meisterstücke und respektive neue Werke vom besonderen thematischen Fokus der Veranstaltung jeden Jahres durchdringen zu lassen. Das diesjährige Festival galt der Erkundung des ‘Quintetts‘. Die wesentlichen Meisterwerke von Mozart, Beethoven, Schubert, Dvořák, Schumann, Brahms, Franck und Shostakowitsch wie auch weniger bekannte aber gleichermaßen großartiger Quintett Kompositionen, wie solcher von Bartók, Elgar und Ligeti wurden von unterschiedlichen Formationen der beim Festival Auftretenden gespielt. Colors of Dust, ein neu geschriebenes Werk des israelischen Komponisten Ayal Adler erfuhr beim Festival seine israelische Premiere. Es war diesen April in Deutschland beim jüngeren Bruder des Festivals uraufgeführt worden, dem zweiten JCMF Berlin Festival und war von beiden Stiftungen zusammen in Auftrag gegeben worden.

“Musik muss im Programm zusammen in einen Rahmen gestellt werden, die Stücke stehen nicht für sich allein. Nur in der Paarung von jung und alt kann man das volle Ausmaß der einzelnen Werke begreifen. Es ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Programms eine Intensität zu schaffen, das von der benachbarten traditionellen und zeitgenössischen Kunst herkommt und oftmals ist das ein Test dafür, ob ein Stück in seiner eigenen Substanz, selbst besteht,” führt sie aus.

Bashkirova versucht, das Festival auszuweiten, indem sie zu verschiedenen Zeiten übers  Jahr hindurch das Festival ins Ausland bringt und kleinere Ausschnitte des Programms international präsentiert.  Zum zweiten Mal, war das Jüdische Museum in Berlin und sein großartiger Saal, vom vielgepriesenen Architekten Daniel Libeskind  entworfen, Gastgeber einer Mini-Version des Jerusalemer Festivals. “Wir waren auch einige Male in New York, einschließlich zweier Wochenenden vor sechs Jahren in der Zankel Hall. Die letzten zwei Jahre gingen wir nach Paris in die Cité de la Musiqe oder zu den großen Festivals im Mozarteum in Salzburg und vielen anderen wunderbaren Orten.” Ein erster Versuch das Festival nach London zu bringen schlug wegen des Vorschlages des Konzertproduzenten fehl, “Jerusalem“ aus dem Namen des Festival herauszunehmen, um so antisemitische Reaktionen zu vermeiden, wie die notorischen Störungen, die während des Auftritts des IPO vor relativ kurzer Zeit stattfanden.  Bashkirova lehnte, entsetzt über den Mangel an Courage seitens des Produzenten das Angebot ab. “Musiker zu boykottieren, die für einen Auftritt kommen, um aufzutreten, ist schlimme Sache; ich kann dem einfach nicht zustimmen, aber die Produzenten sollten nicht den Konflikt meiden, indem sie die angegriffenen Künstler verleugnen - das ist einfach feige,” platzt es aus ihr mit echter Bestürzung.

Sie ist leidenschaftlich, was ihre Aufgabe betrifft und erfolgreich, diese zu entfalten. Wonach Künstler suchen, ist eine bedeutungsvolle Umgebung, um durch ihre Musik kommunizieren zu können. Sie betrachtet zu diesem Zeitpunkt die offene Atmosphäre, die in Deutschland vorherrscht, als einen fruchtbaren Nährboden. Die Einwohnerin Berlins kommt zum Schluss, “es ist nicht von ungefähr. Viele Künstler kommen nach Berlin, viele von ihnen Israelis, da dort eine so gut prosperierende Haltung gegenüber der Kunst und der Künstlergemeinde anzutreffen ist.”

Thursday, September 12, 2013

Benjamin Grosvenor - pianistische Fähigkeit der alten Welt mit jugendlicher Ausstrahlung



 
Obwohl er auf fast jedem nennenswerten Musikmagazin als Titelbild abgelichtet ist, sind die Auftritte von Benjamin Grosvenor in den Vereinigen Staaten recht dünn gesäht und seltene Ereignisse, was vielleicht darauf zurueckzuführen ist, dass sich ‘Hazard Chase International Music Management’ absichtlich vorsichtig nach Vorne wagt.
Seine bewunderswert klaren und spontan klingenden Interpretationen erstaunen das Publikum immer wieder aufs Neue, was seine bereits umfangreiche europäische Gefolgschaft rechtfertigt, die offensichtlich war, als er im Alter von 19 Jahren die ‘BBC Proms’ eröffnete, in der ausverkauften Royal Albert Hall spielte und sich für das renommierte Decca Label als jüngster und erster britische Künstler in sechzig Jahren verpflichtete.

In New York nahm der junge englische chap, der im letzten Jahr auf seinem Debüt in der Frick Collection bescheiden in schwarzem Hemd und Hose erschien, ein ausgewähltes Publikum mit seinem sehr persönlichen, einfühlsamen und dennoch virtuosen Konzert für sich ein. Sein technisch perfektes Spielen war auf illustrative Art und Weise einfallsreich und seine Interpretationen wiesen eine Reife des musikalischen Könnens auf, die weit über sein Alter hinausging.

Diesen Sommer trat Grosvenor am 26. Juli bei dem diesjährigen ‘Wolf Trap Summer Festival’ zusammen mit dem ‘National Symphony Orchestra’ vor einem ernorm großen Publikum auf.
Während der Probe tags zuvor am Kennedy Center in Washington mit Ankush Kumar Bahl, dem Assistentsorchesterdirigenten von Christopher Eschenbach, machte sich Grosvenor den ausdrucksvollen Aufmacher in Rachmaninows zweitem Klavierkonzert zu eigen. Aufgrund der ähnlich wirksamen Ausstrahlung von diesem aufbrausenden Höhepunkt der Romantik drängte die Erinnerung an die RCA-Aufnahme des gleichen Konzertes des jungen Evgeny Kissin mit Valery Gergiev auf.
Im Gespräch bringt Grosvenor eine Sicht eines Pianismus zum Ausdruck, die ebenfalls in mancherlei Hinsicht an den zwanzig Jahre älteren russischen Pianisten Evgeny Kissin erinnert. Es ist der äußerst individualistische Ansatz, der diesem Hinweis auf den hier betrachteten Komponisten zu Grunde liegt, der von beiden Pianisten voll begrüßt und angenommen wird und beide, indem einjeder ideosynkratische und dennoch definitive Klangwelten hervorbringt, in eine direkte Erb-Linie zum sogenannten goldenen Zeitalter des Klaviers stellt. Beide Pianisten haben Mütter, die Klavierlehrerinnen waren, beide wuchsen in einem musikalischen Umfeld auf und waren recht natürlich und unbekümmert am Klavier, als sie in jungem Alter auftraten. Beide begriffen erst später als Heranwachsende die Fallen und Schwierigkeiten des Klaviers und entwickelten ein selbstkritisches Bewusstsein dessen, was einen guten Auftritt ausmacht.
Grosvenor erlebte für sich allein Anflüge von Lampenfieber, die sich teilweise durch seine gerade dann entdeckte Liebe für Kammermusikauftritte überwinden ließen, welche es ermöglichten, die Wirkung der Bühne mit anderen zu teilen. Kissin unterscheidet andererseits zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Nerven und die werden erst dann gut, wenn man sich total intensiv vorbereitet hat, wie er es in aller Regel auch tut.  Beide merkt man es an, wie sehr sie es genießen, während ihrer Solokonzerte “über alles Kontrolle zu haben,” geichwohl die Konzertauftritte mit Orchester noch immer eine große Rolle in ihrem Auftrittsrepertoire spielen. Beide lieben ihr Publikum, sehen dieses gern aus der Nähe und treten mit diesem auf persönlicher Ebene in Verbindung, genießen die Abwechslung von Tourneen und kommunizieren durch eine charismatische Bühnenpräsenz, die weder zurückhaltend und spröde noch arrogant, sondern vielmehr sachlich ist.

“Bis jetzt war meine Lieblingsreise ein Trip nach Rio de Janeiro im Jahre 2006.” sagt Grosvenor, ich fühlte, wie ich wirklich in der Lage war, mit dem Publikum in Verbindung zu treten, sie waren so enthusiastisch und ich empfand die Atmosphäre, die andere Kultur als sehr angnehm.” Er mag ebenfalls besonders Kirchenauftritte, die gewöhnlicherweise anstelle von Konzertsälen als alternative Veranstaltungsorte von Musikvereinen und Sommerfestivals in England ausgewählt werden. “Was mich anspricht, ist die intime Atmosphäre einer Kirche, oft weit von einer großen Stadt entfernt,” sagt er.
Der Film von Julian Strand mit dem Titel Imagine: Being a Concert Pianist [Man stelle sich vor, ein Konzertpianist zu sein] zeigt den elfjährigen Grosvenor als Finalisten des Wettbewerbes junger Musiker vom BBC im Jahre 2004. Bereits zu diesem Zeitpunkt stellt der Film ihn in die Reihe von Wunderkindgrößen, einschließlich unter anderen von Kissin.

Nicht viel anders wie bei der eng zusammengefügten Kissin Familie, war die Grosvenor Familie im Interesse des Selbsterhaltens umsichtig, einen zu vollen Auftrittskalender zu vermeiden, um so dem scheinbar eifrigen, aber dennoch im Film ein bisschen ungeschickt portraitierten Teilnehmer, ein halbwegs ‘normales’ Aufwachsen zuzusprechen. Normal, zumindestens innerhalb bestimmter Grenzen eines nicht so normalen Berufes, der bekanntlich einige seiner besten Mitstreiter schon einem so jungen Alter einnimmt, wenn ihre Leistungen und Leistungsvermögen sich im Vergleich mit den Altersgenossen mit erstaunlicher Diskrepanz zeigen. Da die Familie sich den potentiellen Nachteilen des Wunderkind Faktors voll bewusst war, der oft der gesunden Entwicklung des heranwachsenden Musikers im Wege stehen könnte, hielt die Familie den jüngsten ihrer fünf Kinder, ihren Benjamin, so nahe am Zuhause wie möglich. Das bedeutete Zusammenzureisen, vornehmlich mit seiner Mutter, die bei der letzten Probe in Washington zugegen war. “Aber jetzt nicht mehr soviel wie zuvor,“ fügt Grosvenor hinzu, “was meine Wahl ist.”

Auf seiner letzten Tournee vor kurzem nach Singapur schaffte Grosvenor es allein  “ auch dank der ausgezeichneten Arrangements seines Managements … Eines Tages werde ich es sowieso alles allein machen müssen,” sagt er. Inzwischen ist sein Kalender zunehmens voller und mit 76 Konzerten pro Jahr, manche davon über länger andauernde Tourneen verteilt, verbringt er weniger Zeit in Southend- On- See in Essex, einer Stadt etwa eine Stunde östlich von London gelegen, wo er es schätzt, mehr Ruhe zu haben. “London ist mir zu hektisch,” meint er. Selbst als er an seinem Studienabschluss an Londons ‘Royal Academy of Music’ bei seinem Mentoren Christopher Elton arbeitete, pendelte er und er spielt noch immer circa einmal pro Woche für seinen ehemaligen Lehrer und auch für Daniel-Ben Pienaar an der ‘Royal Academy of Music’ den er neben Elton als seinen größten Einfluss benennt.
Pienaar besitzt ein besonderes Interesse an alter Musik und an den Wiener Klassikern und den Frühromantikern, seine Aufnahme der Diabelli Variationen wurde gerade von der ‘London Times’ zur Aufnahme der Woche erkoren. Grosvenor selbst würde gern mehr zeitgenössische Kompositonen in seine Programme miteinschließen, die, obwohl er sich sehr auf die Romantiker konzentriert, dennoch zum Ziel hat, einen breiteren Ausschnitt des umfassenden Klavier Repertoires darzubieten. Vielleicht eine Frage der Zeit….

Nach der Sommerpause ist Benjamin Grosvenors eindruckvoller Konzertkalender der folgende:

Konzerthaus Berlin am 8. September; Paris Salle Gaveau, 11. Oktober; London Wigmore Hall, 14. Oktober; Detroit Symphony Orchestra, 25.-27 Oktober.; ‘Boston Celebrity Series’, 5. November; Het Concertgebouw, 16.November.  Das Programm wird umfassen: Mendelssohns Rondo Capriccio Opus 14; Schuberts Impromptu Opus 90, Nr. 3.; Schumanns Humoreske; Mompous Paisajes; Medtners Zwei Märchen Opus Nr.3 und Opus.14, Nr.2; Ravels ‘Valses Nobles et Sentimentales’ und Gounod/Liszts ‘Valse de Faust‘ .

New Yorker werden bis zum Jahr 2014 auf seinen Auftritt in der Zankel Hall warten müssen, aber Pianophile werden wissen, dass man das nicht verpassen darf!

Tuesday, September 10, 2013

Buchbesprechung: Frankfurt Verboten

 




Die Idee, das Grauen der Nazi-Zeit durch die Realität einer empfindsamen Pianistin zu beschreiben, den Verfall dieser Welt und dann auch den Glauben an den Sieg von Liebe, Musik und menschlichen Gefühlen wieder im vollen Zirkel zu schließen, ist dem Autor auf bewegende Weise gelungen.



Als Leser werden wir geradewegs in den Sog eines packenden Dramas hineingezogen, das uns zwingt, zu fragen, wie wir selbst in solchen Zeiten gelebt, geliebt und gehandelt hätten.



Das Werk knüpft an mehrere reale Lebensgeschichten an, allerdings sind Namen, Orte und Personen fiktiv verdichtet. Musik jedoch, Musik, die alle zusammenbringt und alles zusammenhält, die Kunst, aus den Schwingungen der Luft das Schwingen der Herzen zu machen, Musik ist die heimliche Hauptfigur des Dramas von „Frankfurt verboten“. In ihr liegt schließlich auch die unerwartete Erlösung, nach der die Menschen sich bis in die folgenden Generationen hinein gesehnt haben.



Der Autor ist Dieter David Seuthe, Deutsch-Neuseeländer mit deutsch-holländischen Wurzeln, lebt heute, nach vielen Jahren in Neuseeland, wieder mit seiner Familie als Psychotherapeut in Frankfurt am Main. Die Fragen nach Identität, Heimat, innerer wie äußerer Freiheit und Erlösung von Vergangenem beschäftigen ihn seit vielen Jahren.



Als Gast-Beitrag gibt er dem Leser hier einen Einstieg zu "Frankfurt verboten":



„Musiker sind wie Zauberer, die aus Schwingungen der Luft das Schwingen der Herzen machen können.“



Dieser Satz aus dem neuen deutschen Musikerroman „Frankfurt verboten“ von weissbooks fasst den zentralen Wunsch zusammen, der das Leben der meisten Musiker bestimmt. Was aber geschieht, wenn ihre Musik die Herzen nicht mehr erreichen darf, weil den Zauberern ihre Kunst verboten wird?



Elise Hermann hat einen Traum: Pianistin will sie werden. Aber als Tochter jüdischer Eltern ohne Vermögen hat die Achtzehnjährige im Bad Ems von 1929 keine Chance. Ihr von der Hitlerjugend gestörtes Klavierkonzert für eine Augenoperation der Großmutter bewirkt, dass Elises Talent entdeckt wird. Durch ein Stipendium kann sie mit Hilfe ihrer neu gewonnenen Frankfurter Mentorin Rosa Bamberg die Ausbildung zur Pianistin am berühmten Hoch’schen Konservatorium beginnen.



Der Lebenstraum einer jungen Frau wird wahr. Die kulturell reiche und freie Zeit in der Mainmetropole gegen Ende der Weimarer Republik begeistert sie genauso wie den „arischen“ Jura-Studenten Max von Hochem, der vom Bodensee nach Frankfurt gekommen ist. In Max trifft Elise die Liebe ihres Lebens. Sie planen ihren Weg miteinander, die unterschiedliche Herkunft bedeutet beiden kein Hindernis für eine gemeinsame Zukunft.



Aber die Umstände ändern sich. Im März 1933 wird Elise von den Nationalsozialisten nicht nur ihr Debüt-Konzert in Frankfurt verboten, sämtliche öffentlichen Auftritte werden der jüdischen Musikerin ebenfalls untersagt. Die gerade ausgebildete Pianistin muss nun um ihr berufliches, schließlich auch um ihr persönliches Überleben kämpfen.



Werden Max und Elise ihre Liebe retten können, werden sie die Diktatur Hitlers überleben?



Immer wieder ist im Zusammenhang mit Verfolgung und Flucht die ratlose Frage der nächsten Generationen aufgekommen, weshalb solche Erlebnisse kaum jemals weitergegeben werden. Daraus ist das zentrale Motiv von „Frankfurt verboten“ entstanden. Fast immer gibt es innere Triebfedern für äußeres Verhalten. Man muss nur genau genug aus der Perspektive der betreffenden Menschen in die Welt schauen.


Die Buchpremiere findet genau dort statt, wo"Frankfurt verboten" beginnt und endet: an Dr. Hoch's Konservatorium in Frankfurt am Main,mit der Musik, die im Roman alle zusammenbringt und alles zusammenhält:



E i n f ü h r u n g : P r o f e s s o r P e t e r C a h n



Lesung: Dieter David Seuthe & Rebecca Ajnwojner



Musik: Studierende an Dr. Hoch's Konservatorium



Live Stream Technik: Cenk Ölcer & Frank Auth



26. September 2013, 19.30 Uhr,



Dr. Hoch's Konservatorium,



Sonnemannstraße 16, 60314 Frankfurt am Main



Eintritt € 5,-



***





Monday, September 2, 2013

Der Pianist Byron Janis – ein amerikanisches Idol

 
Bei einem Besuch in seiner New Yorker Park Avenue-Wohnung zeigt sich der Alt-Star von seiner ganz persönlichen Seite. Während er sich in Reminiszenzen seines Lebens vertieft, umgibt ihn eine Aura ungebrochener Vitalität ...


Dieser Artikel ist in PianoNews (Staccato-Verlag) Ausgabe 5/2013 am 1. September erschienen

Der US-amerikanische Pianist Byron Janis ist ein Phänomen unter den Musiklegenden – ein Künstler, dessen Auftritte in den Fernsehshows der 50er und 60er Jahre, wie der berühmten Johnny Carson Show, den damaligen Zeitgeist fast genauso bestimmten wie seine Konzerte auf den Bühnen der Welt.
In seinem frühen Leben war es seine pianistische Fingerfertigkeit, seine Ausstrahlung und seine Intensität, die ihm Ruhm und Bewunderung, und zuweilen scharfe Kritik bescherten.
Danach waren es vor allem sein Glaube an die Kraft der Musik und seine tiefe Leidenschaft, die ihm halfen, die ungewöhnlich großen Herausforderungen seines Lebens zu meistern. Sein Mantra ist die Kraft des Geistes über die Materie, und bis zum heutigen Tag inspiriert sein Beispiel.
Byron Janis wurde 1928 als Byron Yankilevitch in McKeesport (Pennsylvania) geboren, und wuchs als hochbegabtes Kind in Pittsburgh auf.
1943 gab der damals 15-jährige sein Debut mit Rachmaninoffs Klavierkonzert No. 2 in c-Moll  op. 18 unter der Leitung von Frank Black und begleitet von Toscaninis NBC Symphony Orchestra in New York.
Zurück in Pittsburgh spielte der junge Janis das grossartige Werk noch einmal, und dieses Mal dirigierte der erst 14-jährige Lorin Maazel.
Wie es der Zufall wollte, saß an jenem Abend Vladimir Horowitz im Konzertsaal. Kurz danach lud der Meister Janis ein, für ihn in New York zu spielen. Janis glaubt, dass es möglicherweise seine ‘nervöse Energie’ war, die Horowitz auf ihn aufmerksam gemacht hatte. „Nervosität im positiven Sinne des Wortes; ohne die kann selbst die großartigste technische Fertigkeit mechanisch wirken.”
Mit 17 wurde Janis Schützling und Schüler von Horowitz. Doch bereits vor dieser Zeit hatte man ihn oft dafür kritisiert, den Stil Horowitz’ zu imitieren - ein Vermächtnis, das laut Janis nicht einfach abzuschütteln war.
So hatte ihn auch seine frühere Lehrerin Adele Marcus vor der engen Bindung an Horowitz gewarnt: „Wenn du mit ihm arbeitest, wird deine eigene Persönlichkeit verloren gehen.” Horowitz war sich dieser Gefahr durchaus bewusst, und vermied es daher konsequent, während seines Klavierunterrichts mit Janis selbst zu spielen. Er machte klar, dass er Janis führen, und nicht indoktrinieren wollte. „Du sollst kein zweiter Horowitz werden, sondern ein erster Janis,” empfahl er dem jungen Pianisten. Gleichzeitig aber achtete er darauf, dass er in den drei Jahren seiner Arbeit mit Janis der einzige Einfluss auf seinen noch beeinflußbaren Schützling blieb. Keine Klavierstunde fiel je aus, und Janis begleitete Horowitz und dessen Frau Frau Wanda sogar auf Konzerttourneen.
Janis fühlte sich in seiner Zeit mit Horowitz verpflichtet, der zu werden, den Horowitz in ihm sah. „Du malst mit Wasserfarben, wenn du mit Öl malen könntest,” hatte ihm Horowitz gesagt. Und das konnte nur bedeuten, dass Janis, um die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, zu einem großen romantischen Virtuosen werden musste.
Die Liebschaft des 20-jährigen Janis mit Wanda, der Frau von Horowitz, setzte der engen Beziehung zwischen Janis und Horowitz ein jähes Ende.
Doch nun begann der Kampf, den Adele Marcus vorhergesagt hatte: Ohne den Meister im Rücken musste Janis seine eigene Stimme am Klavier finden.
Mit Konzerttourneen durch Europa und Südamerika begann Anfang der 50er Jahre Janis’ internationale Karriere. Seine Auftritte mit den bekanntesten Orchestern und Dirigenten seiner Zeit, so z.B. mit Eduard van Beinum in der Concertgebouw in Amsterdam, dem London Symphony Orchestra unter Antal Dorati, und seine Version von Rachmaninoffs Klavierkonzert No. 2 in c-Moll  op. 18  mit dem London Philharmonic Orchestra unter Norman del Mar erlangten Kultstatus.
Byron Janis mit Vladimir Horowitz
Als Janis 1961 noch einmal nach London zurückkehrte, um Rachmaninoffs Meisterwerk zu spielen, schrieb ein Kritiker über „… die Begeisterung, das Feuer und die Sympathie, die sein Spiel hervorruft … Mr. Byron Janis ist ein aussergewöhnlich talentierter Pianist aus Amerika.”
In Peter Rosens Dokumentarfilm The Byron Janis Story (PBS 2010) beschreibt Janis, dass er vielleicht der erste Musiker war, der anlässlich seines Debuts an der Carnegie Hall zu Fuß gekommen sei. (Janis lebte im Jahre 1957 an der 57sten Straße, wo auch die Carnegie Hall ist).
Zu jener Zeit entstanden einige seiner berühmtesten Aufnahmen: Rachmaninoffs Klavierkonzert No. 3 in d-Moll op. 30 begleitet vom Boston Symphony Orchestra unter Charles Munch, Liszt’s “Totentanz”, Richard Strauss’ “Burlesque” und Rachmaninoffs Klavierkonzert No. 1 in fis-Moll op.1 mit Fritz Reiner und dem Chicago Symphony Orchestra.
1960 wurde Janis vom U. S. Department of State für eine Konzerttournee durch die Sowjetunion engagiert. Nach dem kürzlich verstorbenen US-amerikanischen Pianisten Van Cliburn, der mitten im Kalten Krieg als erster Amerikaner 1958 den Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen hatte, war Janis der erste, der sich der breiteren Öffentlichkeit in der Sowjetunion präsentierte und mit seiner Kunst bewies, dass, wie er sagt, „…die USA zu mehr in der Lage waren als Autos zu bauen.”
Die Aufnahmen von Rachmaninoffs Klavierkonzert No.1 in fis-Moll op. 1 und Prokofievs Klavierkonzert No. 3 in c-Dur op.26 mit Kyrill Kondrashin und dem Philharmonischen Orchester Moskau sind das Resultat jener Tour, und wurden zum Benchmark für dieses Repertoire. 1995 gewann die CD-Version den “Cannes Award for Best Reissue”. Peter Rosens Dokumentarfilm enthält faszinierende Filmaufnahmen aus dieser Zeit und kommentiert somit auch den historischen Rahmen von Janis’ frühem Schaffen. *
Der Pianist erinnert sich immer noch gern an seine bahnbrechenden Konzerte in der damaligen Sowjetunion:  „Nach anfänglich feindseligen ‘U2! U2!’ - Rufen, die sich auf den Abschuss eines US-amerikanischen Spionage-Flugzeugs über dem Gebiet der Sowjetunion wenige Wochen zuvor bezogen, zwang ich mich, ganz ruhig zu bleiben,” berichtet er. Doch sobald Janis in die Tasten schlug, veränderte sich die Atmosphäre im Saal schlagartig, und aus Feindseligkeit dem Amerikaner gegenüber wurde Faszination und Solidarität mit dem Künstler. „Als ich zum Ende kam, waren die Menschen ekstatisch und kamen zur Bühne. Aber es war nicht nur die Musik, die dafür verantwortlich war; ich glaube, sie fühlten einfach, wer ich war. Ich war nicht der Feind. Ich war wie sie … ”
Zur selben Zeit hatte das Fahrzeug des Aufnahmeteams mit seinen US-Nummernschildern auf dem Roten Platz neugierige Blicke angezogen, und viele Menschen besuchten die Konzertproben, die bis spät in die Nacht gingen.
1962 war Janis wieder zu Gast in der Sowjetunion, wo er zusammen mit Benny Goodman erstmalig Gershwins großartigen Klassiker “Rhapsody in Blue” auf die Bühne brachte.
Janis, dessen Ruhm hauptsächlich auf dem Repertoire der großen romantischen Ära beruht, ist der Meinung, dass jegliche Art von Musik im Grunde genommen romantisch ist. Auf besondere Art verbunden ist er jedoch mit Frédéric Chopin, einer der vielleicht am romantisiertesten Figur aller Klavier-Idole, der eine grosse Rolle in Janis’ Leben spielen sollte.
Sein erster Lehrer Abraham Litow hatte den jungen Pianisten auf Chopin aufmerksam gemacht und ihm Chopins Walzer op. 69 No. 2 in b-Moll vorgestellt.  Chopins Musik elektrisierte Janis geradezu, und liess in ihm den überwältigenden Wunsch aufkommen, sich nicht nur intensivst mit Chopins Musik zu befassen, sondern sich auch dem Künstler selbst zu nähern.
Nun fühlen sich zwar viele Pianisten zu Chopins wundersamen Harmonien und Melodien und der Spiritualität des Künstlers hingezogen, doch die musikalischen Begegnungen Janis’ mit Chopin grenzen an das Übersinnliche. „Chopin bringt das Klavier zum Sprechen wie kein anderer,” schwärmt Janis. „Man kann ganz einfach Worte zu seinen Melodien finden.” Und dann setzt sich der großartige Byron Janis ans Klavier spielt Chopins Walzer op. 69 No. 2 in b-Moll für mich... Seine ungewöhnliche Virtuosität und seine Handbewegungen zeugen von langer Erfahrung und einem kreativen Leben; gleichzeitig aber hat sein Klavierspiel auch etwas Frisches, fast jugendliches, und eine ganz eigene Spiritualität. Seine Interpretationen sind nie didaktisch, sondern immer Ausdruck eines zutiefst persönlichen Stils, der auch in Chopin and Beyond, dem Buch, das er mit seiner Frau verfasste, immer wieder durchscheint.
Während einer Konzerttour durch Frankreich entdeckte Janis 1967 im Château de Thoiry, einem Schloss 48 km westlich von Paris Manuskripte  und Partituren zweier bis dahin unbekannter Chopin-Walzer. Schlossherr Viscount Paul de la Panouse, ein Bewunderer der Kunst des Pianisten, hatte Janis und dessen Frau zu einem Besuch eingeladen. Während eines Rundgangs durch die historischen Archive des Renaissance-Anwesens wurde Janis auf eine alte Truhe aufmerksam, die der Ur-Großmutter des Viscount gehört hatte. Zwischen aufwendig gefertigten Kleidern befand sich auch die Korrespondenz des Chopin-Freundes Eugène Sue in der Truhe. Monsieur Sue, Diplomat und Autor des Buches The Wandering Jew war offensichtlich ein Bewunderer der Dame gewesen. Unter den Briefen entdeckte Janis mehrere alte Manuskripte, die von ausgefransten hellblauen Bändern zusammengehalten waren. Er traute seinen Augen nicht: Vor ihm lagen Partituren zu Chopins berühmten Grande Valse Brilliante, op. 18.  Janis erinnert sich an diesen außerordentlichen Moment:  „Ich ging mit den Manuskripten aus dem Jahr 1833 schnell zum Klavier und erklärte, worin die Unterschiede [zu den bereits veröffentlichen Versionen] lagen.
Chopin hatte den Grande Valse Brilliante in es-Dur im Jahre 1835 veröffentlicht, als ihm das nötige Kleingeld für eine Reise zum Rhein-Musik-Festival in Deutschland fehlte. Dort sollten einige seiner Werke aufgeführt werden. Möglicherweise wollte er in Deutschland auch beweisen, dass er in der Lage war, einen Walzer zu schreiben: er hatte diese Musikform erst 1832 in Wien kennengelernt. Laut Janis hatte Chopin in seinen Briefen aus Wien geschrieben, dass der Walzer “ein sehr eigenartiger Tanz” sei.
Nachdem die Société Francaise de Musicologie in Paris die neu aufgetauchten Chopin-Manuskripte verifiziert hatte, stellte der unerwartete Fund am 21. Dezember 1967 die Titelgeschichte der New York Times.
Als erster Musiker seit Chopin führte Janis anlässlich eines privaten Konzertes in Thoiry im Sommer 1969 die Version aus dem Jahre 1833 auf.
Als ob dies alles nicht schon ungewöhnlich genug gewesen wäre, ging die Geschichte sogar noch weiter: Janis war 1973 an die Yale University gekommen, um ein Gespäch über eine mögliche Meisterklasse zu führen (er litt damals schon an den Symptomen seiner beginnenden Arthritis). Im Musikarchiv der Universität wurde er auf einen Ordner aufmerksam, der fast achtlos auf einem der hohen Regale lag. Und wieder wurde Janis fündig: Der Ordner enthielt Versionen des 1967 in Frankreich neu entdeckten Walzers, und dieses Mal waren die Manuskripte aus dem Jahre 1832. Sie enthielten weitere Unterschiede: “Die Noten waren anders akzentuiert und gaben einigen Teilen einen synkopierten Rhythmus; andere Teile waren gestrichen, ein weiterer Teil war nun als ‘dolete’ (‘mit Schmerz’) markiert, und Oktaven waren durch einzelne Noten ersetzt worden,” berichtet Janis. Die Ereignisse um diese Funde kulminierten 1978 in einer französichen Fernsehdokumentation, Frédéric Chopin: A Voyage with Byron Janis.
Von Chopins Leben fasziniert besuchte Janis George Sands Anwesen im französischen Nohant. Dort hatte Chopin die letzten zehn Jahre vor seiner Trennung von Sand gelebt; zwei Jahre später verstarb er.
In Nohant traf Janis auf Aurora, der Enkelin von George Sands Sohn Maurice. Aurora bat Janis, auf dem Anwesen zu spielen. Bei dieser Gelegenheit traf Janis dann auch den Verwalter des Anwesens, Roger de Garat. Zu jener Zeit benötigte Garat dringend Geld, um zu verhindern, dass die Einrichtung von Nohant scheibchenweise unter den Hammer kam. Janis erhielt von Garat eine von drei verbleibenden Original-Totenmasken Chopins; da Janis Chopin so sehr liebte, hatte Garat das Gefühl, die Totenmaske sei bei Janis gut aufgehoben. Garat machte Janis auch zum Vorsitzenden einer musikalischen Gesellschaft, der ‘Les Amis de Chopin’ (Freunde Chopins), doch diese existierte nur eine kurze Zeit.
Janis beschreibt unerklärliche und intensiv mysteriöse Ereignisse rund um die Maske, die alle auf eine tiefe spirituelle Seeelenverwandtschaft mit Chopin schliessen lassen, und außerhalb der Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit liegen. „Chopin selbst hat immer stark an eine andere Welt geglaubt,” sagt Janis. „Das ist sehr wichtig. Manchmal, wenn ich seine Werke spielte, machte ich out-of-body Erfahrungen. Für jeden Künstler sind das die erhabendsten Momente überhaupt.”
Janis’ bemerkenswerte Resilienz, die ihn durch alle Widrigkeiten seines Lebens geführt hat, ist durchaus schon genug, an das Übernatürliche zu glauben.
Er ist der lebende Beweis dafür, dass es möglich ist, Krankheit und körperliche Schmerzen und Einschränkungen, und sogar Unglaube mit nichts als einem großen Reservoir an tief inspirierter Liebe zu überwinden.
Trotz einer ernsthaften Fingerverletzung in seiner Kindheit, trotz chronischer Schleimbeutelentzündung  (Bursitis), Schultersteife und - mit nur 45 Jahren – einer schweren Psoriasis-Arthritis, die er lange geheim gehalten hatte, lebte Janis seine Bestimmung als begnadeter Pianist, soweit es ihm ob der Schmerzen möglich war, intensiv aus und blieb seiner Kunst immer treu.
Jahrelang gab er Konzerte ohne zu wissen, wann der Schmerz einsetzen würde und wie lange er in der Lage wäre zu üben, ohne seine entzündeten Gelenke zu irritieren. Bedrohlicher noch war die Ungewissheit, dem Vergleich mit ‘normalen’ Pianisten standhalten zu können, und die Angst, dass Musikmanager, Berater oder - schlimmer noch - Kritiker von seiner Behinderung erfahren könnten.
Von seinen ersten fünf Operationen blieb Janis 1973 ein kürzerer Daumen; nach den Eingriffen erfuhr er, dass sie hätten verhindert werden können. Das war tragisch für ihn. „Musik war mein Leben”, sagt er. „Ich dachte, dass ich ohne Musik nicht leben könnte.”
Depression und Selbstzweifel wurden zeitweise zu seinen engsten Begleitern, aber dennoch: Janis nahm seine Karriere immer wieder auf. Er hatte eine Fingertechnik entwickelt, die es ihm erlaubte, schmerzende Finger durch nicht schmerzende zu ersetzen. Doch ganz besonders schwierig wurde es für ihn, wenn der Schmerz kurz vor Konzertbeginn einsetze, und er lediglich durch einen ständigen Wechsel in seinen Bewegungsabläufen der Situation Herr werden konnte.  Für die meisten Musiker wäre eine Strategie, die streng konzipierte Bewegungen jederzeit durch Alternativansätze ersetzen konnte, schlicht undurchführbar gewesen.
„Ich hatte sogar eine periphere Sicht entwickelt, die es mir ermöglichte, meine fünf Finger und die Tastatur gleichzeitig im Blickfeld zu behalten,” erläutert Janis seine unorthodoxe Technik.
Mit der Zeit waren Janis’ Auftritte ob seines ständigen Kampfes mit seiner von Schmerzen bestimmten Realität selten geworden. Doch dann bekannte er sich öffentlich zu seinem lange geheimgehaltenen Leiden, und verwandelte seine schwere Last in einen Akt beispielhafter Courage, indem er Botschafter der Arthritis Foundation wurde.
Seinem persönlichen Stil blieb er auch treu, als er 1984 im Weissen Haus auftrat. Anlässlich dieses Konzertes verkündigte Nancy Reagan, dass der Pianist ebenfalls an Arthritis leide, eine Tatsache, die Janis mit den Worten “Ich habe Arthritis, aber meine Arthritis bestimmt mich nicht” kommentierte.
Seine Frau Maria Cooper Janis, Tochter des legendären Schauspielers Gary Cooper, und die Liebe seines Lebens, blieb in all diesen schwierigen Jahren standhaft an seiner Seite. Sie motivierte Janis, die Filmmusik zu einem Dokumentarfilm über ihren Vater zu schreiben. Die Komposition war derart erfolgreich, dass sie Janis erlaubte, als Komponist ganz neue Wege zu gehen (Turner Network strahlte die Produktion 1989 aus). Weitere Meilensteine auf seinem Weg als Komponist waren das musikalische Thema des Global Forum on Human Survival in Oxford/England 1988 (das “The One World”- Lied) und seine Arbeit an der Musikversion von The Hunchback of Notre Dame.
Janis’ entschiedenes Engagement, die heilende Kraft von Kunst und Musik zu fördern, hat nie nachgelassen – auch was das eigene Wohlergehen angeht. „Ich bewahre mir meine Energie für meine eigene Kreativität auf,” sagt er, wohlwissend, wie sehr ihm seine Liebe zur Musik auch heute noch, im Alter von 85 Jahren, hilft. Seine Motivation ist am ehesten spürbar, wenn er in der gemütlichen Park Avenue-Wohnung, die er mit seiner Frau Maria teilt, an einem der beiden Pianos Platz nimmt. Einer der Flügel war einst m Besitz von Gary Cooper, und dessen drei Oscars stehen wie selbstverständlich auf einem kleinen Beistelltisch. Auch im Rest der Wohnung stösst man auf Erinnerungsstücke aus Hollywood, und Gäste wie Frank Sinatra haben überall ihre Spuren hinterlassen.
Trotz der Schatten, die das Auf-und-Ab seiner langen und komplexen Karriere geworfen haben, lässt sich das Echo früherer Grandeur bei Janis’ heutigen Auftritten nicht verleugnen. Die meisten dieser Auftritte sind Anliegen gewidmet, die ihm sehr am Herzen liegen. So unterstützt er die Arthritis Foundation, das Yamaha Music and Wellness Institute, für das er auch als Berater tätig ist, und ProMusicis, eine Organisation, die das Engagement junger Musiker in sozialen Projekten fördert. Unter den vielen Auszeichnungen, die Janis über die Jahre für seine humanitäre Arbeit erhalten hat, bedeutet ihm ein erst kürzlich verliehener Preis besonders viel: Am 2. Mai 2013 erhielt er in Anerkennung seines Engagements für den Staat Israel die Ehrendoktorwürde des Hebrew Union College in Jerusalem.
Janis kennt keinerlei Ressentiments, wenn er über sein langes und intensives Leben am Klavier und darüber hinaus spricht; nach all seinen - zum Teil überraschenden - Comebacks, fasst er  seine Erfahrungen und sein heutiges Leben ganz pragmatisch zusammen, wenn er sagt: „Es gibt heute Dinge, die sich im Vergleich zu dem, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, besser anfühlen.“ Und : „Mein Leiden hat etwas an die Oberfläche gebracht, und es mir ermöglicht, Menschen fühlen zu lassen. Wirkliche Künstler erlauben keine Ausreden – sie tun, was sie tun müssen. Ich würde nicht nach perfekteren Händen für mich fragen wollen. Was ich gelernt habe, hat mich zu dem gemacht, der ich bin.”
Trotz der Tatsache, dass er das eine oder andere Detail vergessen haben mag, ist  Janis immer noch ein überzeugender Geschichtenerzähler, und seine großzügige Lebensphilosophie spricht für sich: „Nach Perfektion zu streben ist schon in Ordnung,” sagt er,  „… solange man weiss, dass man sie nie erreichen wird. Du spielst die richtigen Noten, und dann passiert irgend etwas Unerwartetes ... Wirklich grosse Künstler sind Meister in der Kunst der Unvollkommenheit.”
*Der Film ist in der 11 CD-Box der Werke Janis’ enthalten. Sieben der CDs sind re-masterte Versionen  früherer  Aufnahmen. Ebenfalls enthalten ist die Originalaufnahme von Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung.” (Sony April 2013)