Sunday, April 18, 2010

Pianist Konstantin Soukhovetski - Eine Schillernde Persoenlichkeit


























Klickt man Konstantin Soukhovetskis Facebook-Seite an, dann erfährt man: Der Konzertpianist hat einen Bachelor, einen Magister in Musik und auch ein sogenanntes Artist-Diplom der renommierten Juilliard School in New York.
Wenn man ihn dann persönlich trifft, findet man sehr schnell heraus, dass sein Talent und seine Aktivitäten keineswegs nur auf das Klavier beschränkt sind. Es sieht fast so aus, als ob der charmante und eindeutig unkonventionelle 29-jährige Pianist die Gravitas seiner Musik mit Erfahrungen komplementiert, die etwas Leichtigkeit in sein Leben bringen.
Und mehr als das: Was immer er anfasst, scheint ihm eine tiefere ästhetische Erfahrung zu bieten.
Die Spannbreite seiner künstlerischen Bemühungen legt nahe, dass er jegliche Form kreativen Selbstausdrucks einem leidenschaftlosen Leben vorziehen würde.
Da ist einmal sein gutes Auge für alles Visuelle, das sich in den äusserst professionellen Modefotos seiner Schwester, mit der er manchmal auch als Modell arbeitet, beweist.
Und da sind die Fotos, die er von Jerome Lowenthal, seinem Klavierlehrer an der Juilliard School, für ein CD-Cover gemacht hat. Für seinen Freund, den Pianisten Vassily Primakov, schoss er sämtliche Fotos für eine internationale

Plattenkritik.

Jerome Lowenthal


Ein Blick auf seine flamboyanten Outfits macht deutlich, dass Konstantin längst nicht nur daran gelegen ist, andere gut aussehen zu lassen, sondern dass er selbst auch ganz gern mit einem bisschen Glamour experimentiert. Egal, ob er sich für einen besonderen Anlass kleidet, oder lediglich einen schlichten Anzug mit einem interessanten Accessoire versieht – sein zielsicherer Geschmack sticht immer ins Auge.
Hätte ich Konstantin nicht vor ein paar Jahren bei einer intensiven Wiedergabe von Mozarts Konzert in D-Moll erlebt, hätte ich ihn glatt für einen “Project Runway’-Bewerber gehalten, als ich ihn kürzlich in einem Restaurant an Manhattans Upper Westdide traf.
So war ich denn auch keineswegs überrascht, als er mir erzählte, dass Theaterwissenschaft ein Teil seiner Moskauer Erziehung ist.
“Die erwachsenen Schauspieler hatten mich adoptiert; sie wollten mich in die Welt des Theaters entführen, und das gefiel mir”, erklärt Konstantin. “Ich war sehr beeindruckt davon, dass ich mit einem wirklichen Star-Ensemble auftreten durfte.”
Wenn man bedenkt, dass Konstantins Eltern und auch seine Schwester Maler sind, und dass er seit frühester Kindheit Klavier spielt, dann gaben ihm seine ersten Lebensjahre in Russland eine wirkliche Allround-Erziehung, und das in einer Umgebung, die künstlerische Imagination und Leistung positiv beeinflusste.
“Ich wurde über-professionell ausgebildet”, sagt er. “Ich hatte die beste Musikerziehung, und das Schauspielern fiel mir sehr leicht. Schon als Kind stand ich auf der Bühne; sie wurde zu meiner Heimat – zu einem Ort, an den ich gehörte.
Doch schon damals machten mir meine Lehrer an der Zentralen Musikschule von Moskau klar, dass ich mich zwischen Schauspielkunst und Klavier entscheiden müsste. Ich hätte mich nie gegen das Klavier entscheiden können, aber ich wollte wirklich beides. Es musste nicht das eine oder andere sein, ich würde ‘multitasken’. Dieses Jahr wurde mir mit einem Mal klar, dass ich es noch einmal mit Schauspiel versuchen sollte.”
Zur Zeit spielt Konstantin in einem Film des afro-amerikanischen Regisseurs Andre Joseph einen Bösewicht (“Dishonorable Vendetta”). In seiner grössten Rolle seit letztem Sommer stellt er einen russischen Nachtklubbesitzer dar, der eine Gruppe von Drogendealern mit einer Waffe bedroht – eine Rolle, die ihn so weit es nur geht von der Welt der klassischen Musik wegführt - genau die Art von Abenteuer, die ihm gefällt.
“Als ich mich im Internet für den Film bewarb, wurde ich gleich zum Vorsprechen eingeladen, und bekam auch die Rolle. Ich möchte dazu lernen. Ich mache auch bei Studentenfilmen mit, und das macht sehr viel Spass. So bekomme ich mehr Erfahrung vor der Kamera. Wenn ich spiele, trete ich wirklich aus mir heraus; das ist eine sehr befreiende und lustvolle Erfahrung für mich.
Und die macht mich auch zu einem besseren Pianisten. Meine Erfahrungen als Schauspieler tragen der Präzision, mit der ich verschiedene emotionale Befindlichkeiten ausdrücke, und Entscheidungen musikalischer Interpretation treffe, unbedingt bei. Ich bin mir sehr viel mehr dessen bewusst, was um die Musik herum geschieht, und wie ich sie ausrichten muss, um eine Verbindung zwischen Komponist und Publikum herzustellen.”
Er fährt fort: “Egal ob Shakespeare oder Beethoven – als Interpret folgt man einem Drehbuch gedruckter Instruktionen, aber trotzdem muss man sich die Interpretation zu eigen machen. Die Kunst liegt in der Darstellung – darin, das Stück frisch und lebendig zu machen, so als würde man es zum allerersten Mal spielen – mit Wahrhaftigkeit und Integrität. Man möchte sich ja nicht bei seinem eigenen Auftritt langweilen.”
Die Annahme, dass sich Konstantin bei seinen Auftritten bisher kaum gelangweilt hat, ist sicher nicht allzu weit hergeholt. Mit denen hat er nämlich im Jahre 2002 den ersten Preis des Hilton Head International Piano-Wettbewerbs und den zweiten Preis des Walter W. Naumburg International Piano-Wettbewerbs gewonnen, 2003 dann den Gina Bachauer-Wettbewerb der Juilliard School sowie den Arthur Rubinstein-Preis, und 2004 schliesslich das Paul and Daisy Soros - Stipendium für ‘New Americans’.
Was ebenfalls verhindert, dass sich Langeweile in seinem Leben breit macht, ist die Tatsache, dass seine weltweiten Auftritte Konstantins geographischen Horizont über die Jahre erheblich erweitert haben. Doch seit seinem Abschied vom Russland seiner Kindheit hat er sich eignetlich immer schon als Weltbürger gefühlt.
Und wie sieht es mit Konstantins Zukunftsplänen aus?
“Ich lebe von Projekt zu Projekt; ganz allgemein gesagt, ich würde nichts tun, um mein Klavierspiel zu gefähren”, meint er mit einem Lächeln. “Sechsundzwanzig Jahre meines Lebens haben hauptsächlich dem Klavier gehört; ich identifiziere mich als klassischer Pianist, und darum lerne ich auch jede Saison zwei neue Klavierkonzerte.
Ich habe aber auch einen Abschluss in Pop-Gesang und Theaterkunst, und ich nehme an Shows teil und singe bei einer Band. Im nationalen russischen Fernsehen war ich Nachrichtensprecher für Kindersendungen. Eigentlich habe ich schon immer auch ein Auge auf das kommerzielle Showbusiness geworfen.
Zur Zeit gibt es eine ganze Menge Klavierprojekte in seinem Terminkalender. Neben einigen interessanten Auftritten mit Saint-Saens’ ‘Concerto No.2’ und Gershwins ‘Rhapsody in Blue’ unter Dirigent Daniel Myer tritt er am 29. April mit dem Biava Quartet, Musiker-in-residence an der Juilliard School, im Kennedy Center in Washington D.C. auf.
In Südafrika tourt er mit der Johannesburg Philharmonie und Rachmaninovs ‘Concerto No 3’, und er hat einen Auftritt mit der nationalen KwaZulu-Natal Philharmonie, sowie einige Solo-Auftritte.
Konstantin Soukhovetski and Vassily Primakov





Es ist eine bekannte Tatsache, dass rigorose Tourneepläne eine der grössten Herausforderungen für Musiker darstellen. Vom Künstler wird einfach immer erwartet, dass er zur Stelle ist. Selbst dann, wenn widrige Umstände zur Absage eines Konzertes führen, kann ein ‘No-Show’ den Ruf eines Musikers negativ beeinflussen.
Konstantin, der letztes Jahr ein Konzert in Atlanta absagen musste, weil extreme Niederschläge den Abflug seiner Maschine vom New Yorker Flughafen La Guardia verhinderten, hatte Glück: Er wurde wieder eingeladen und spielte sehr erfolgreich.
Vielleicht sind es ja auch seine guten Beziehungen, die ihm dann helfen, wenn er wirklich Hilfe braucht. Die zu seinem Agenten ist ein Beispiel dafür. Konstantin beschreibt ihn als Freund, mit dem er einen seltenen Rapport – einen ‘sweet deal’ hat. Dieser ‘sweet deal’ mag dafür verantwortlich sein, dass sich die Vorstellung davon, wie ein Konzertpianist sein professionelles Leben führen sollte, in seinem Fall nicht so eng definiert.
Mit seinem doppelten Abschluss in Klavier und Komposition hat Konstantin hat auch Erfahrung in Transkription, und er versucht sich gern als Jazz-Pianist – eine ziemliche Seltenheit unter klassischen Pianisten.
Zum Unterschied zwischen klassischem Klavier und dem sehr viel perkussiveren Anschlag beim Jazz-Klavier sagt er:
“Klassische Pianisten versuchen immer, die samtweiche Sanftheit ihres Spiels zu perfektionieren. Einige der klassischen Rhythmen sind komplexer als die des Jazz; es ist der perkussive ‘Touch’, der Jazz so anders macht.”
Als ich ihn zu seinen Aufnahmen befrage, gibt er zu: “Das ist ein Bereich, in dem ich unerfahren bin, und wo ich noch dazu lernen muss. Nach meinem Debut im Lincoln Center vor über drei Jahren habe ich gleich eine CD aufgenommen. Wir haben über 60 Stunden Material, aber das Ganze wurde nie vollständig editiert. Ich versinke sozusagen in Rohmaterial.”
Wenn er dann von Richard Strauss’ Klangwelt spricht, wirkt seine Begeisterung ansteckend. Er schwärmt: “Ich höre mir den “Rosenkavalier” an, mit dem ich letztes Jahr übrigens viermal auftrat, und ich fühle mich, als wäre ich gestorben und im Himmel. Fühle ich diese Art von Verbindung zur Musik, brauche ich sonst nichts anderes.”
Konstantin ist sich seiner starken Emotionen in Sachen Musik, die zweifelsohne Ausdruck seiner Lebensleidenschaft sind, sehr wohl bewusst. Diese Emotionen sind auch für seine Programmwahl ausschlaggebend. Er muss sich inspiriert fühlen - eine Idee oder ein Konzept sind ihm nicht genug. Er sucht geradezu eine körperliche und emotionale Verbindung zur Musik.
“Ich muss bei dem, was ich tue, mit Leidenschaft dabei sein. Es muss mich zutiefst bewegen”, sagt er. “So viel Leidenschaft muss ich fühlen, dass ich mich gezwungen sehe, aufzuspringen und zu spielen. Ich muss mir das Stück zu eigen machen. Konzept und Theorie reichen mir nicht.”
Darum spielt er auch bestimmte Komponisten, wie z.B. Bartok, grundsätzlich nicht. “Ich kann keine Verbinding zu seiner Musik herstellen. Mir ist nicht danach, aus dem Bett zu springen und seine Musik zu spielen. Und ich möchte gegen dieses momentane Gefühl nicht angehen.
Wenn ich einen bestimmten Komponisten spiele, beschäftige ich mich mit allen, bzw. den meisten seiner Werke. Ich möchte über ihn Bescheid wissen, und seine Persönlichkeit verstehen. Ich reise mit meinem Laptop und nehme ihn auch hinter die Bühne mit, und obwohl ich keinem festen Ritual folge, um mich in die richtige Stimmung für meine Auftritte zu versetzen, höre ich doch sehr viel Opernmusik.”
Zum Thema Lampenfieber sagt er: “Ich hatte eigentlich nie ein Problem damit, und obwohl ich als Kind am Theater durchaus ein paar Starallüren hatte, war es doch nie Angst oder Nervösität, mit der ich kämpfte.
Meine Grossmutter war eine Ballerina, und sie erzählte mir immer, sie würde niemals die Liebe in der Augen ihres Publikums, die auf ihr ruhten, vergessen. Ich kann diese Art von Glück und Wertschätzung nachvollziehen …und dann muss man natürlich auch in der Lage sein zu sagen, dass es nichts gibt, was man lieber machen würde in diesem einen Moment.”
Konstantin glaubt, dass die Lektüre witzig geschriebener Memoiren und Biografien legendärer Künstler wie Rubinstein und Horowitz “ein grossartiges Mittel sind gegen alle Zweifel, die man vor einem Auftritt haben mag. … “Seine Ikonen in wenig ikonenhaften Situationen zu erleben und ihre Anekdoten hinter der Bühne zu erfahren – das ist schon sehr amüsant.” Möglicherweise bieten die ja auch eine gesunde Perspektive zum Thema “Klavier und Unsterblichkeit”.
Denn trotz seiner Bühnen-Persona und seiner Exzentrizität hat man den Eindruck, dass Konstantin ein sehr bodenständiger junger Mann mit einer sehr menschlichen und echt netten Seite ist.

Der Weg zum wohltemperierten Pianisten : Musikerziehung und die Taubman Lehre






















Der zweite Teil der Serie unter dem Titel “Der Weg zum wohl-temperierten Pianisten: Künstlerkommentare” machte die Leser mit einigen der zahlreichen Aussagen berühmter Musiker bekannt, die den Wert und kontinuierlichen Einfluss der Taubman - Lehre auf Pianisten aller Levels bezeugen.
Wir hörten von Musikern, die Antworten auf Fragen bekamen, die sie nie gestellt hatten, und die doch grundlegend für deren Wohlbefinden und Sicherheit am Instrument waren, und wir erfuhren von verletzten Instrumentalisten, die ihre Karriere wieder aufnehmen konnten, nachdem die Arbeit mit der Taubman-Lehre zu Genesung und Schmerzfreiheit geführt hatte.
Ich schätze die Möglichkeit, Dorothy Taubmans Arbeit durch meine Artikel in diesem Format erstmalig präsentieren zu können und somit ein Forum für den Austausch von Meinungen und Erfahrungen zu schaffen. Leserbeiträge und Feedback sind mir ungemein wichtig, denn sie bilden den Kern der faszinierenden und engagierenden Interaktion, die die Blogsphäre zu bieten hat.
Teil 3 der Serie: Musikerziehung und die Taubman-Lehre
Als ich Dorothy Taubman im Sommer 2009 traf, sprach sie über ihre Motivation für die Erkundung der Geheimnisse dessen, was am Klavier vor sich geht. Wie sie mir sagte, musste sie einfach eine Lösung für diejenigen unter ihren zumeist sehr talentierten Studenten finden, deren Probleme am Klavier sie daran hinderten, ihr Potential voll auszuschöpfen.
Und das tat sie dann auch. Über 50 Jahre Recherche haben eine bahnbrechende Analyse der Grundlagen virtuosen Klavierspiels geschaffen und legen einen beeindruckenden Wissensbestand in Bezug auf die Elemente, die eine mühelose und brillante Technik ermöglichen, vor.
Je nach Dauer und Intensität des absolvierten Studiums haben einige von Dorothy Taubmans ehemaligen Studenten deren Arbeit in den eigenen Klavierunterricht integriert und wenden Taubmans Prinzipien in unterschiedlichem Masse und auf verschiedenen Kompetenzebenen an.
Ein Beispiel dafür ist das im Jahre 2003 von Maria del Pico Taylor, Sondra Tammam, Father Paul Maillet und Eleanor Hancock gegründete “Dorothy Taubman Seminar”. Dieses Seminar hat es sich zum Ziel gesetzt, an der Temple University in Philadelphia eine praxisorientierte Ausbildung sowie Meisterklassen mit Dorothy Taubman anzubieten.
Andere wieder integrierten Elemente von Taubmans Arbeit ohne speziell darauf hinzuweisen. Das generelle Interesse an Techniken der Körperwahrnehmung, wie z.B. der Alexander-Technik oder der Feldenkrais-Methode, hat außerdem zu diversen Initiativen geführt, die Taubmans Erkenntnisse mit anderen Disziplinen verbinden, und auf diese Weise innovative Symbiosen entwickelt haben.
In Bezug auf die Alexander-Technik, die ich selbst anwende und die ich äußerst faszinierend finde, stimme ich meiner Alexander-Lehrerin Monika Gross zu, die diese Technik als komplementär zur Lehre von Dorothy Taubman versteht.
”Bei der Alexander-Technik geht es darum, Bewusstsein für ein grundlegendes physiologisches Koordinationsprinzip zu schaffen. Dieses Bewusstsein dient dann als ideale Grundlage für koordinierte Aktivität am Klavier im Sinne der Taubman-Lehre”, meint Gross.
Die Alexander-Technik-Expertin und Klavierlehrerin Renee Jackson beschäftigt sich schon seit 18 Jahren mit der Taubman-Lehre. Die Golandsky-Studentin, die auch mit Mary Moran arbeitet, hat folgendes zum Thema zu sagen: “Alexanders Erkenntnisse können die Veränderung aller Arten von Gewohnheiten enorm beeinflussen. Die kleinen, sehr spezifischen Bewegungen der Taubman-Lehre lassen sich oft sehr viel leichter unter Anwendung von Alexanders ‘Konzept der Inhibition’ alter Bewegungsabläufe kombinieren.
Feldenkrais-Spezialist und Lehrer Eli Wader, der 12 Jahre lang bei Moshe Feldenkrais studiert hat, und der seit Jahren in Israel und der Schweiz unterrichtet, arbeitet ebenfalls mit professionellen Musikern. Ihm zufolge verbessert sich die Ausdruckskraft und Anmut der Darbietung eines Musikers nach einer Feldenkrais-Session erheblich.
In den letzten Jahren gab es viele Ansätze für einen Ideenaustausch zwischen diesen einzigartigen und doch verwandten Disziplinen.
Insbesondere die Website (wellbalancedpianist.com) der ehemaligen Golandsky-Studentin und Taubman-Institut-Lehrerin Dr. Theresa Dybvig zeichnet sich durch ihre Informationen über die unterschiedlichen Richtungen dieser interdisziplinären Arbeit aus.
Als führende Exponentin der Taubman-Lehre gilt allgemein Taubmans ehemalige Mitarbeiterin und engste Vertraute, Edna Golansky. 25 Jahre lang hatte Golandsky mit Taubman zusammen gearbeitet - zuerst als deren Studentin, dann als Assistentin und schliesslich Mitbegründerin des Taubman-Instituts.
Im Jahre 2003 trennten sich die Wege der beiden Frauen dann, und Edna Golandsky gründete zusammen mit den ehemaligen Taubman-Institut-Fakutätsmitgliedern John Bloomfield, Robert Durso und Mary Moran das Golandsky-Institut.
Fakultätsleiter und Senior Director John Bloomfield erklärt den Prozess, der zum heutigen Institut führte:
“Das Golandsky-Institut ist eine Weiterentwicklung des ehemaligen Taubman-Instituts. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand der Konsens, dass die Taubman-Lehre nur dann eine Überlebenschance und Raum für weiteres Wachstum haben würde, wenn sie von qualifizierten Lehrern weitergereicht werden könnte. Lange Diskussionen zwischen den Gründern führten zu einem vielseitigen Ansatz und einem Curriculum, das umfangreiche Anforderungen in allen Bereichen der pädagogisch begleiteten Unterrichtspraxis sowie Performance stellte.
Edna Golandsky betont, dass eine klare Diagnose von Problemen, gefolgt von zügiger Implementierung potentieller Lösungen nach wie vor das Herzstück des Prozesses bildet, und dass die Lehrer in der Lage sein müssen, die verschiedenen Komponenten der Lehre in eine zielgerichtete Struktur zu integrieren. Deshalb wird jeder Lehrer bei uns individuell betreut, indem er seine oder ihre Studenten zu einem der Lehrer bringt, die konsistent gute Ergebnisse erzielt haben. Die Anwendung der Taubman-Lehre ist sehr individuell und zeitaufwendig, aber der Erfolg unseres Betreuungsprogramms gibt uns recht. Wir sehen immer wieder, dass die meisten Lehrer ihre eigenen pädagogischen Fähigkeiten durch das richtige Input einer erfahrenen Lehrkraft auf ein sehr viel höheres Niveau bringen können. Die Studenten lernen dann schneller und gründlicher als vorher.”
Die mehrmals im Jahr in New York und Philadelphia stattfindenden Lehrerseminare bilden einen der Grundpfeiler des Betreuungssystems. “Taubman-Lehrer hören nie auf, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln”, meint John Bloomfield abschließend.
Jeden Sommer bietet das Golandsky-Institut an der Universität von Princeton ein einwöchiges und sehr intensives Sommer-Symposium an. Das umfangreiche Kursangebot ist auf verschiedene Kenntnisstufen zugeschnitten, und vertieft das Studium der Taubman-Lehre. Während dieses Symposiums beschäftigt das Golandsky-Institut derzeit 13 Lehrkräfte - 11 zertifizierte Assistenten und Lehrkräfte, und 10 zusätzliche Teilnehmer aus dem professionellen Ausbildungsprogramm des Instituts.
Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Sommersymposium in Princeton. Gene Hollinger, ein älterer Herr, auf dessen subtile Klangfarbe am Klavier ich in meiner Amateur-Klaviergruppe aufmerksam geworden war, hatte mich dazu eingeladen, damit ich einmal selbst sehen konnte, was sein Verständnis für die Kunst des Klavierspielens für immer grundlegend verändert hatte.
Die Woche auf dem wunderschönen Campus von Princeton war eine Erfahrung für sich. Lange Tage voller faszinierender Seminare, Vorlesungen und Vorführungen am Klavier schufen eine ideale Lernumgebung. Bei allabendlichen Konzerten wurden aus Lehrern Künstler, und Amateure erreichten neue Stufen technischer Fertigkeit. Ehemals verletzte Pianisten berichteten davon, wie sie ihre Karrieren zurück bekommen hatten, und einander fremde Teilnehmer und Zuhörer tauschten sich aus. Lehrer, die nie gedacht hatten, es wäre ihnen gegeben zu unterrichten, wurden sich einmal mehr des Sinns und Zwecks ihres Lebens bewusst.
Ein Streben nach Exzellenz ging Hand in Hand mit sozialer Interaktion, und schuf eine sehr persönliche und unvergessliche Atmosphäre.
Zweifelsohne war es etwas ganz Besonderes, dass ich mich eine ganze Woche lang auf nichts anderes als auf das Klavierspiel konzentrieren konnte. Was mich an diesem Sommer-Symposium jedoch am tiefsten beeindruckte war die Intensität, mit der die Taubman-Lehre demonstriert wurde.
Seminare für Anfänger und Fortgeschrittene dienten der Grundlagenvermittlung. Die Vorlesungen konzentrierten sich auf spezifische Details, die dann - je nach Level - in Gruppen vertieft wurden.
Fakultätsleiter Robert Durso bot eines der lebendigsten Seminare an. Er faszinierte die Teilnehmer seiner Gruppe mit einer erstaunlich präzisen Bedarfsanalyse eines jeden Studenten und gab sein Wissen mit viel Humor und Einsicht in die menschliche Natur weiter.
Die Lehrassistenten des Instituts folgten genauen Anweisungen der Lehrer und unterstützten die Seminarteilnehmer, während diese sich im Gelernten übten; weitere Fragen wurden in Privatstunden geklärt.
Die Meisterklassen boten jedoch das Material, worauf alle gewartet hatten: inspirierende Praxisbeispiele, die aufzeigten, wie die einzelnen technischen Elemente im Kontext der Musik ineinander übergingen.
Es war schon wunderbar, diese großartige Lernerfahrung mit Studenten aus den gesamten USA, Kanada und Europa, Asien und dem Pazifischen Raum zu teilen.
Unter den Seminarteilnehmern war z.B. auch die Australierin Theresa Milanovic, seit letztem Jahr zertifizierte Taubman-Lehrerin. Im Augenblick arbeitet sie am Queensland Konservatorium der Griffith Universität in Brisbane, Australien an ihrer Doktorarbeit unter dem Titel 'The Taubman Approach to Piano Technique'.
Der Enthusiasmus der Seminarteilnehmer war wirklich spürbar, vor allem unter den ‘Veteranen’, die alles taten, um die ‘Newcomer’ willkommen zu heißen - ganz so, als wollten sie sagen: ‘Gut, dass du den Weg hierher gefunden hast und endlich die Vorzüge dieser Arbeit kennenlernen kannst. Wenn du es erst einmal kapiert hast, wirst du schon sehen, welch’ enormen Unterschied das Ganze macht.’
Über Nacht habe ich die Methode übrigens nicht ‘kapiert’. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich in meiner ersten Unterrichtsstunde mit dem wundervollen Konzertpianisten und Golandsky-Institut-Lehrer Ilya Itin in Tränen ausgebrochen bin. Was ich mir von meiner ersten Session mit diesem hoch-talentierten Pianisten der ‘Russischen Schule” erwartet hatte, weiß ich nicht mehr genau. Die Taubman-Lehre war damals völlig neu für mich, und vielleicht hatte ich ja darauf gehofft, dass sie mir auf der Stelle magische Kunstfertigkeit am Klavier verleihen würde. Dabei konnten wir lediglich daran arbeiten, meine Hand frei fallen zu lassen, um Anspannung zu eliminieren. Aber substanzielle Veränderungen passieren nun mal nicht im Quick Fix-Verfahren.
Bestimmt trocknete ich meine Tränen und entschloss mich, meine Erkundung der Taubman-Lehre fortzusetzen – dies nicht zuletzt dank Itins Versicherung, dass dieser Prozess nicht nur seine ganz eigene Zeit braucht (und die ist, je nach Student, nicht immer dieselbe), sondern auch leidenschaftliches Engagement.
Inzwischen hat Mary Moran ein Buch über die Taubman-Lehre für Anfänger veröffentlicht; zukünftige Generationen werden es somit einfacher haben.
Die Seminare haben es mir über die Jahre ermöglicht, verschiedene Lehrer kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten, so zum Beispiel John Bloomfield, Robert Durso, Father Sean Duggan, Ilya Itin, Kendall Feeney, Deborah Cleaver, Audrey Schneider, Marc Steiner, Justin Jacobs und Theresa Milanovic.
Jeder Lehrer und jede Lehrerin hat seinen/ihren ganz persönlichen Stil, aber alle sind und waren, was ihre Arbeit angeht, sehr leidenschaftlich, und gaben Informationen großzügig weiter.
Was sämtliche Fakultätsmitglieder trotz unterschiedlicher professioneller Karrieren ebenfalls gemeinsam haben, ist das hohe Ansehen, das sie als Musiker genießen, und eine rigorose Ausbildung in der Taubman-Lehre. Viele der Lehrkräfte unterrichten auch an anderen Institutionen, geben Privatstunden, und treten regelmäßig auf.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich seit meiner ersten Begegnung mit der Taubman-Lehre wesentliche Fortschritte machen konnte, und schätze meine Arbeit mit Edna Golandsky, die es mir erlaubt, diesen faszinierenden Prozess und dessen außerordentliches Potential weiter zu verfolgen.
Der Konsens, der sich bezüglich der Arbeit des Golandsky-Instituts gebildet hat, bestätigt den umfassenden Ansatz und die ständige Weiterentwicklung dieser Arbeit, und betont, dass das Potential und die Relevanz der Taubman-Lehre praktisch unbegrenzt sind.
Letztes Jahr wurden die Prinzipien der Taubman-Lehre erstmals auch auf andere Instrumente angewendet. Dank der Initiative der britischen Violinistin Sophie Till, Leiterin der Streicher-Abteilung an der Marywood Universität und Direktorin des Marywood String Project, kamen Instrumente wie Violine, Viola und Cello zum Einsatz.
Sophie Till nimmt zur Zeit an der Lehrerausbildung des Golandsky-Instituts teil, und hat unter der Anleitung von Edna Golandsky die Taubman-Lehre für Streicher aller Fertigkeitsstufen entwickelt – ein weiterer Beweis dafür, dass die Taubman-Lehre auf alle Sparten von Musikern und Instrumente anwendbar ist.
Das im Jahre 2005 vom Golandsky-Institut veröffentlichte erste 3-DVD-ROM- Set der Discovery Series unter dem Titel “The Art of Rhythmic Expression” ist ein Beispiel für das ständige Bestreben um Konzepterweiterung.
Das Set beinhaltet eine Zusammenstellung von Vorlesungen des Princeton Sommer-Symposiums 2004, und konzentriert sich auf die Anwendung der Taubman-Lehre in Bezug auf die musikalische Grundstruktur der Rhythmik.
In seiner Besprechung aus dem Jahre 2006 empfiehlt Don Glasson, Fakultätsmitglied der University of Arts in Philadelphia, Jazzmusikern und Lehrern das DVD-Set, das die Taubman-Lehre anhand populären Repertoires demonstriert.
Er sagt: “Edna Golandsky beschäftigt sich mit der Frage, wie man das rhythmische Gefühl und die rhythmische Komplexität, die den Kern der Kunst des Jazz bilden, auf die Tastatur umsetzen kann. Die Realisierung musikalischer Intentionen mit Hilfe effizientester Bewegungen ist in der Tat die grösste Leistung der Taubman-Lehre.
Unter Benutzung klassischen Repertoires zeigt Golandsky, wie rhythmische Vitalität, musikalischer Fluss und Swing durch Klangformung und Klangproduktion sowie Betonung der Takte erreicht werden kann. Sie beweist, dass physikalische Bewegungen mit rhythmischem Aufbau in Beziehung stehen. Dass diese Informationen für Jazzpianisten von Bedeutung sind, versteht sich von selbst.”
Abschließend meint Glasson: “Golandsky eröffnet der Entwicklung rhythmischen Klavierspiels eine neue Perspektive und führt ihre Erkundungen eines neuen Paradigma in der Pädagogik des Klavierspiels weiter.”
Bill Charlap, einer der besten Piano-Interpreten von Jazz Standards, ist in der Vergangenheit als Gast des Golandsky-Instituts aufgetreten.
Er ist ebenfalls voll des Lobes: “Bei dieser Methode stellt man sich auf die natürliche Ausrichtung des Körpers ein - eine Technik, die Musikern mehr Kraft und Beweglichkeit verleiht. Noch wichtiger ist, dass Pianisten schmerzfrei spielen können … Der gesamte Mechanismus kommt beim Klavierspielen zum Einsatz, nicht nur die Isolierung der Finger. Das macht technische Freiheit möglich, und technische Freiheit führt zu musikalischer Freiheit. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Der ebenmässige Klang, der erreicht wird, wenn Unterarm, Hand und Finger im Einklang stehen, erlaubt Akzente und idiomatische Jazz-Artikulationen; gleichzeitig wird der Musiker vom ‘starken Finger versus schwachen Finger’- Syndrom befreit. Die körperliche Freiheit, die die Taubman-Lehre schafft, ist die perfekte Ergänzung für die kreative Freiheit, die improvisierende Jazz-Pianisten suchen.”
Edna Golandsky verbreitert weiterhin den Einflussbereich der Taubman-Lehre, die zunehmend auch von den Koryphäen der Jazzwelt angenommen wird.
Der Jazz-Pianist Danilo Perez, offizieller Gastgeber des siebten “Annual Jazz Festival in Panama”, hat dies über die Taubman-Lehre und Edna Golandskys Arbeit zu sagen:
“Die Taubman-Lehre sollte weltweit gelehrt werden. Sie sollte von Anfang an Teil eines jeden Unterrichtsprogramms sein, damit Pianisten ihr volles Potential entwickeln können. Die Lehre erleichtert das Klavierspiel ungemein. Bevor ich Edna kennen lernte, musste ich immer ‘Warm-up’-Übungen absolvieren. Jetzt kann ich mich ganz einfach ans Klavier setzen und loslegen; mir wird weder unbehaglich dabei, noch werde ich müde. Selbst wenn ich nicht am Klavier sitze – komme ich zurück ans Klavier, kann ich gleich weiter spielen. Ich verstehe jetzt, wie ich Klangfarben ausdrücken kann – egal, ob melodisch oder perkussiv, oder in der Tonpalette in der Mitte zwischen diesen beiden Polen angesiedelt.
Ich bin auch ein sehr viel besserer Zuhörer geworden; ich kann inzwischen einem Klavierstimmer dabei helfen, die verschiedenen Klaviere, auf denen ich spiele, besser zu stimmen. Die Gleichmäßigkeit der Klaviertasten und ihres Klanges sind mir sehr bewusst.”
Abschließend meint Perez: “Edna Golandskys Arbeit mit der Taubman-Lehre hat es mir erlaubt, als Musiker zu reflektieren und zu lernen. Sie hat mein Bewusstsein für die Feinheiten und die Schönheit der Klangproduktion geschärft.”
Publikationen des Golandsky-Instituts:
The Art of Rhythmic Expression: Lectures and Master Classes, präsentiert von Edna Golandsky. DVD-Set. The Golandsky Institute 2004 Summer Symposium at Princeton University.
The Art of Concert Preparation: Lectures and Master Classes, durchgeführt von Edna Golandsky, unter Mitarbeit von Ilya Itin und Danilo Perez. DVD-Set. From the 2005 Golandsky Institute Summer Symposium at Princeton University.
The Forgotten Lines: Lectures präsentiert von Edna Golandsky. DVD-Set. The Golandsky Institute 2006 Summer Symposium at Princeton University. DVD-Set
Beginning Piano Lessons in the Taubman Approach: Book I - Basic Alignment and Rotation. Mary Moran, herausgegeben von Edna Golandsky.

Der Weg Zum Wohltemperierten Pianisten: Künstlerkommentare

Der Weg Zum Wohl-Temperierten Pianisten
2.Teil : Künstlerkommentare
Nach der Veröffentlichung des ersten Teils meiner Serie über die Taubman-Methode unter dem Titel "Der Weg zum wohltemperierten Pianisten" gab es die verschiedensten Reaktionen. Selbst auf den Facebook-Seiten von Freunden erschienen Kommentare. Die Bandbreite der Reaktionen reichte von interessiert oder auch enthusiastisch über zweifelnd bis ganz und gar feindselig.
Auf den ersten Blick sind einige der hoch-emotionalen Reaktionen auf etwas derart Trockenes und Emotionsloses wie Klaviertechnik schwer zu verstehen, aber dann sind diese Reaktionen vielleicht auch ein Indikator dafür, dass hinter der Taubman-Methode weit mehr steckt als auf den ersten Blick erkenntlich sein mag.
In diesem zweiten Artikel der Serie möchte ich mich deshalb darauf konzentrieren, die Essenz der Taubman-Methode in den Vordergrund zu stellen, indem ich die unterschiedlichsten Pianisten zu Wort kommen lasse. Die Musiker werden selbst über die Methode sprechen und ihre persönlichen Erfahrungen kundtun.Wenn man sich ernsthaft mit der Taubman-Methode auseinandersetzt und ihre Vorteile kennen gelernt hat, dann gibt es keinen Weg zurück.
Deborah Cleaver, Mitglied der Fakultät des Golandsky-Instituts
Nach zehn Jahren Unterrichtspraxis und vielen Auftritten in Berlin war die Amerikanerin Deborah Cleaver zunächst Studentin, dann Lehrassistentin des berühmten Pianisten und New England Conservatory-Musikpädagogen Leonard Shure. Später zog sie nach Portland in Oregon, wo sie auch jetzt noch am Reed College Klavier unterrichtet.
Deborah beschreibt ihre Erfahrungen folgendermaßen: “Als Pianistin mit kleinen Händen kam ich zu den Taubman-Studien, um Hilfe für das Spielen von Oktaven und Akkorden zu finden. Ich war sofort sehr beeindruckt und von der Logik und Leichtigkeit des gesamten Ansatzes angetan. So entschloss ich mich umzulernen. Es war schon fast ein Wunder zu erleben, wie sich meine Geschwindigkeit, Genauigkeit und Gewandtheit stetig verbesserte, während gleichzeitig meine Tonkontrolle, Klangformung und Ausdrucksweise wie nie zuvor freigesetzt wurden. Die Methode hilft sogar in Sachen Gedächtnis - und das ohne jegliche Anstrengung und Ermüdung.”
Howard Schreiber und Ilona Oltuski in Princeton, beim Golandsky Seminar
Mein Freund Howard Schreiber ist ein passionierter Amateurpianist, der an der Manhattan School of Music Klavier studiert hat. Er meint, dass sein sympathischer Lehrer, der bekannte Musiker Seymour Lipkin, zweifelsohne die besten Absichten hatte, Howard bei der Überwindung seiner Minderwertigkeitsgefühle als Pianist zu helfen – leider jedoch erfolglos. Über seine Gefühle von damals sagt Schreiber: “Ich hatte keinen Sinn für die Verbindungen. Ich war angespannt am Klavier; alles war irgendwie unsicher und in der Schwebe, und ich erlaubte nicht, das volle Gewicht meiner Hände in die Tasten zu entlassen.
Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind sehr natürlich gespielt habe. Erst später habe ich meine eigene Technik eingeschränkt.”
“Wir brauchen eine Sprache, um Technik zu vermitteln”, glaubt Schreiber. “Letztendlich sollte eine körperliche Reaktion ausgelöst werden, damit sich das Klavierspiel richtig anfühlt. Meine Lehrer brachten mir bei, die Finger zu isolieren: mein Arm war wie gefroren und gab mir keinen Halt hinter den Fingern. Ich hämmerte einfach weiter und dachte, damit würde ich die Muskulatur aufbauen; dabei habe ich mich nur noch mehr angespannt und schlechte Gewohnheiten vertieft. Ich kam immer weiter von einem natürlichen Zugang zu meinem Instrument ab, mit dem Resultat, dass ich schliesslich ganz aufgab.”
Heute bedauert er, dass er nicht schon damals von der Taubman-Methode gehört hat. “Ich hätte keine Beschwerden haben sollen. Wenn man weiß, dass es Mittel und Wege gibt, diese Probleme beim Namen zu nennen … es wäre vielleicht anders ausgegangen für mich”, sagt Schreiber.
Seiner Meinung nach sollten Studenten niemals Schmerzen am Klavier haben, und schon gar nicht das Gefühl, diese in ihrem Wettbewerbsumfeld verbergen zu müssen.
Sein an der West Coast ansässiger Lehrer Marc Steiner, heute ebenfalls Mitglied der Fakultät des Golandsky-Instituts, hatte Schreiber von den ‘Taubman-Kassetten’ erzählt.
“Ich fand Ednas Vorführungen schon beim ersten Mal sehr überzeugend. Zum damaligen Zeitpunkt war ich bereit, mich voll zu engagieren.” Und das tat er dann auch.
Inzwischen hat Schreiber mehrere Jahre lang bei Edna Golandsky studiert, und schätzt jede Unterrichtsstunde und ihre tieferen Offenbarungen.
“Taubmans Arbeit hat mir die Möglichkeit gegeben zu kommunizieren und mich gewandt am Instrument auszudrücken. Ich weiß jetzt, wie man das bewerkstelligt - mit allen Feinheiten und Farbnuancen, zu denen ich vorher keinen Zugang hatte.”
Mike Brofman



Der Pianist Mike Brofman ist ebenfalls vom Wert der Taubman-Methode überzeugt. Vor einem Jahr begann er, mit Robert Durso, einem der Gründer des Golandsky-Instituts, zusammen zu arbeiten.Brofman galt als Kind als extrem begabt, und trat schon als Schüler an bekannten New Yorker Aufführungsorten auf. Später studierte er mit dem legendären Pianisten und Klaviertechnik-Theoretiker Gyorgy Sandor. Doch kurz nach Beginn seines Grundstudiums unter James Gilels an der North Western University machten sich in seinen Händen Ermüdungserscheinungen und Schmerzen bemerkbar.
“Ich befolgte den Rat meines Lehrers und nahm mir ab und zu eine Woche frei, um mich auszuruhen. Das brachte etwas Erleichterung, aber danach übte ich dann meist umso intensiver. Mein Lehrer riet mir, starke Gesten auf ein Minimum zu reduzieren, und nicht so stark in die Tasten zu greifen.
In meiner Abschlussklasse entwickelte ich jedoch Beschwerden zwischen meinem vierten und fünften Finger, die zu einem stechenden Schmerz führten, und der ging durch meine Hand hindurch und weiter in meinen Arm … Ich hatte solche Schmerzen und war derart beeinträchtigt, dass ich nicht einmal mehr eine Gabel halten konnte.”
Brofmans Ärzte wussten sich keinen Rat. Er hatte eine Kernspintomographie, bekam Kortisoninjektionen und machte Krankengymnastik. Aber nichts half, und Brofman musste seine Vorbereitungen auf die Abschlussprüfung aufgeben.
Nach Abbruch seiner Studien begann er, am Brooklyn-Queens Conservatory of Music Klavier zu unterrichten. Sein Brooklyner Lehrerkollege brachte ihn schließlich zu Robert Durso.
“Der Lernprozess geht natürlich immer weiter”, sagt Brofman heute. “Es hat wahrscheinlich acht oder neun Monate gedauert, bis alles zusammen passte. Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass Grundbewegungen wie Rotation, ‘In and Out’, Formgebung etc. mehr oder weniger automatisch geschehen. Alles wird zunehmend unterbewusst. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, wie ich vorher gespielt habe. Das ist total aus meinem System verschwunden, und ich könnte es nicht mal reproduzieren, wenn man mich danach fragte. Nichts schmerzt mehr.”
Brofman ist sich klar darüber, dass sich die Taubman-Methode nicht ohne weiteres an Musiker verkaufen lässt, die nicht verletzt sind. “Nicht, dass sie nicht auch davon profitieren würden, aber es ist nun mal schwierig, jemanden davon zu überzeugen, das Klavierspiel neu zu erlernen, wenn keine Notlage vorliegt.”
Sein Rat? “Musikern, die das Gefühl haben, gute Pianisten im Körper von schlechten zu sein, oder die unter Ermüdungserscheinungen und Schmerzen leiden, würde ich die Taubman-Methode vor allen anderen Methoden empfehlen.”
Im letzten September war ich zu Brofmans Eröffnungskonzert, das er für seine Studenten und Verehrer in der Konzerthalle des Brooklyner Konservatoriums gab, eingeladen. Kraftvoll und flüssig und ohne jegliche Anzeichen von Schmerz spielte er Ausschnitte aus Beethovens Erster Sonate, Opus 31.






Pianist Ilya Itin


Auch der gebürtige Russe Ilya Itin, ein international anerkannter Pianist und Lehrer am Golandsky-Institut, erzählte mir von seiner ersten Begegnung mit der Taubman-Methode.Im Jahre 2000 war er relativ kurzfristig gebeten worden, ein Konzert am Williamstown College, das damals die Sommerseminare des Taubman-Instituts durchführte, zu geben. Dorothy Taubman unterrichtete damals noch die Meisterklassen, und Edna Golandsky gab Vorlesungen und führte diverse Details der Methode vor.
“Edna beobachtete mich; sie liebte mein Spiel. Sie sah aber auch eine leichte Krümmung meines kleinen Fingers bei einer komplizierten Passage von Akkorden.’
Nach Ednas Intervention funktionierte die Passage sehr gut, was das Bedürfnis in ihm weckte, mehr von Golandskys Ansatz zu erfahren.
Pianist Ilya Itin teaching
Für Itin bietet die Taubman-Methode “… die Sicherheit phänomenaler Präzision”. Nach seiner Aussage hat sie zu einer Art von Befreiung für ihn geführt, und ihm ein solides Wissen mit exakten Anweisungen, wie körperliche Freiheit beim Klavierspiel erreicht werden kann gegeben. Er sagt, dass ihm diese Freiheit erlaubt, die geistige Freiheit zu erlangen, die jeder Künstler zu finden versucht. Er räumt aber auch ein, dass die Methode – obwohl klar und verständlich - “… einen komplexen Entwicklungsprozess und anhaltend intensives Training erforderlich macht – ein Training, das sich fortlaufend dem jeweiligen Erkenntnisstand anpassen muss.” Andere große Künstler haben ebenfalls erklärt, dass die Taubman-Methode ihr Klavierspiel erheblich verbessert hat; selbst Pianisten, deren Technik am Klavier keinerlei Veränderungen bedarf, erkennen den Wert der Methode an und befürworten die Arbeit der Lehrer des Golandsky-Instituts.
So zum Beispiel Gabriela Montero, Star-Pianistin bei Präsident Obamas Amtseinführung. Als ich sie kürzlich an der Bar des Charles Hotels in Boston traf, sagte sie mir: “Ich wurde 1995 eingeladen, am ursprünglichen Taubman-Institut des Amherst College aufzutreten, und dort lernte ich dann auch Edna Golandskys Arbeit kennen. Für mich ist Edna ein brillanter Kopf, mit der Intuition und dem nötigen Wissen, ohne großen Zeitaufwand analysieren zu können, wie man einem Künstler helfen kann. Diese Arbeit ist für jeden, der eine gesunde und organische Technik für das Klavierspiel finden und verstehen möchte.”
Montero stellte die Taubman-Methode auch ihrem früheren Studenten Manuel Laufer vor. Als Teenager hatte Laufer in Caracas zum ersten Mal für sie gespielt; später traf er Montero in Montreal wieder, besuchte ihre Meisterklassen und nahm Privatunterricht bei ihr.
Er erinnert sich daran, dass Montero “… der festen Überzeugung war, Taubmans und Golandskys pädagogischer Ansatz böten mir den effizientesten Weg, mein volles Potential am Instrument zu entwickeln. Ich folgte ihrem Rat, und nahm im Sommer 1999 an einem zweiwöchigen Kurs des Taubman-Instituts teil; als ich wieder in Montreal war, begann ich mit dem Grundtraining in der Taubman-Methode, und zwar mit den Lehrern Jean-Pascal Hamelin und später Nina Scolnik - beides Mitglieder des ursprünglichen Taubman-Instituts. So begann meine Einbindung in die Taubman-Methode, die wiederum zu meinem späteren Studium bei Edna Golandsky in New York führte.”
Von der Rationalität, Gründlichkeit und Effizienz der Taubman-Methode angezogen, kehrte Laufer über viele Jahre hinweg immer wieder zu Taubmans Arbeit zurück. “Ich habe das Gefühl, dass die Methode einmalig leistungstiefe Resourcen zur Lösung technischer Probleme am Klavier bietet. Das gilt auch für die Verfeinerung tonaler Kontrolle und die Erweiterung der Ausdruckspalette. Ich bin meinen Lehrern Golandsky, Hamelin und Scolnik unendlich dankbar dafür, dass sie ihr Wissen an mich weitergegeben haben, und auch Gabriela, die die Weitsicht hatte, mir zu einem entscheidenden Zeitpunkt meiner Entwicklung den richtigen Weg zu weisen.”
Ähnlich äußert sich die ehemalige Pianistin Shulamith Ran, heute Pulitzer-Preis-prämierte Komponistin und Professorin an der Chicago University. In einem Interview mit der Los Angeles Times im Jahre 1997 sagte sie: “Das Golandsky-Institut hat wirklich großartige Arbeit geleistet. … Der Begriff ‘Methode’ wird der Sache eigentlich nicht gerecht, weil das Wort so klingt, als habe jemand etwas erfunden. Taubmans Leistung besteht jedoch darin, ein natürliches Phänomen entschlüsselt zu haben.”
Dorothy Taubman selbst hatte u.a. mit Leon Fleisher, dem vielleicht bekanntesten verletzten Pianisten, gearbeitet. Die Los Angeles Times zitiert Fleisher wie folgt: “Dorothy ist wirklich außergewöhnlich, was ihre Intuition in Sachen Schmerz angeht. Sie lokalisiert genau die Stelle, an der man etwas falsch macht, und weiss, wie man den Schmerz los wird. Das ist etwas sehr Besonderes. Sie ist fast eine Heilerin.”
Man könnte argumentieren, dass solche Statements kaum helfen, die Anwendung der Taubman-Methode nicht entmystifizieren, und dass auch andere Faktoren eine Rolle im Heilprozess spielen mögen. Dazu kommt, dass es Taubmann abgelehnt hat, ihre Arbeit mit Fleisher zu diskutieren, und lediglich bereit ist zu sagen, sie habe ihn in die rechte Bahn gelenkt.
Andere Musiker, wie der Fleisher-Student und Juilliard-Professor Julian Martin, waren selbst nicht verletzt, sahen jedoch auf Grund von Verletzungen unter ihren Studenten die Notwendigkeit, sich mit Taubmans Arbeit auseinanderzusetzen.
Martin erinnert sich: “Ich kam in den 80iger Jahren zu Frau Taubman; sie unterrichtete damals noch am Oberlin College. Es bedeutete einen schweren Rückschlag für mich, da ich, um überhaupt von ihr lernen zu können, noch einmal ganz von vorne anfangen musste. … Sie war sehr fanatisch und zwanghaft, aber das ändert nichts an meiner Dankbarkeit für all das, was ich von ihr lernte. Manches hätte ich von niemand anderem lernen können, und vieles davon benutze ich tagtäglich. Die Taubman-Methode bietet mir einen zuverlässigen Leitfaden für eine gesunde Routine am Instrument.”
Unter Musikpädagogen gibt es ebenfalls Stimmen, die nicht zögern, Taubmans bahnbrechende Erkenntnisse anzuerkennen und zu befürworten.
Als ich Dorothy Taubman letzten Sommer in ihrer Wohnung in Brooklyn besuchte, zeigte mir die gebrechliche, aber immer noch lebhafte Dame von über 90 Jahren einen Brief aus ihrer Sammlung von Manuskripten. Der Brief war von Robert Shannon, und stammte aus Shannons Zeit an der Piano-Fakultät des Oberlin College. In seinem Brief an Taubman unterstreicht er die Validität von Taubmans Arbeit, und betont, dass sie ihn von seinen Verletzungen, die durch sein Klavierspiel entstanden waren, befreit hat.
Die Pädagogin Yoheved Kaplinsky, Leiterin der Juilliard Piano-Fakultät und ehemalige Studentin Taubmans, ist wiederum für ihre Fähigkeit bekannt, schädliche Gewohnheiten am Instrument rückgängig zu machen und bei Verletzungen effektiv zu helfen.
Auf der Website des Golandsky-Instituts finden sich weitere Kommentare - von Ärzten, verletzten Pianisten und Musikern aller Levels. Die Autoren der Kommentare berichten nicht nur von ihrer beachtlichen künstlerischen Entwicklung durch die Taubman-Methode, sondern bekunden auch, dass ihre Verletzungen komplett rückgängig gemacht werden konnten. Das gilt selbst für sehr ernste Verletzungen, wie z.B. fokale Dystonien, die durch falsche Bewegungen am Instrument hervorgerufen werden, und die meist verheerende Folgen für die Karriere eines Musikers haben.
Doch selbst angesichts zahlloser Statements hoch-angesehener Musiker, die in der Musikwelt vollstes Vertrauen genießen, geben sich die Zweifler kämpferisch.Ich muss in diesem Zusammenhang an Goethe denken, der sagte: Derjenige, der sich mit Einsicht für beschränkt hält, ist der Vollkommenheit am nächsten.
Das ist vielleicht auch der Grund, warum viele ernsthafte Pianisten die Kunst der Musik und das Handwerk des Klavierspielens im Rahmen der Taubman-Methode weiter erkunden.
Wie zum Beispiel der Pulitzer-Preisträger, Pianist und Dirigent Yehudi Wyner, Absolvent der Juilliard School, sowie der Universitäten von Yale und Harvard, und ehemaliger Student der Komponisten Richard Donovan, Walter Piston und Paul Hindemith. Während der Sommer-Symposien des Golandsky-Instituts in Princeton tritt er regelmäßig auf, und er unterstützt seine ehemalige Lehrerin Edna Golandsky mit großem Enthusiasmus.
“Die Taubman-Methode befähigt einen Musiker, seine tiefsten Gefühle auszudrücken. Dorothy Taubmans Gedanken zum Thema Interpretation sind genauso tiefgehend wie ihr Ansatz in Sachen Technik”, meint er.
Und Edna Golandsky gibt zu bedenken: “Wir sind dafür bekannt, dass wir Verletzungen behandeln, und wir sind meistens die letzte Station, wenn nichts anderes mehr hilft. Was dabei jedoch übersehen wird: wenn man weiß, wie man sich richtig bewegt, verletzt man sich gar nicht erst.”
Das macht eine weitere Untersuchung notwendig...
Im dritten Teil der Serie stelle ich das Golandsky-Institut und seine Lehrer vor; ich werde auch über den internationalen Einfluss der Arbeit des Instituts sprechen, sowie über die Bedeutung der Taubman-Methode für andere Instrumente, und für die Welt des Jazz.

Der Weg Zum Wohltemperierten Pianisten: Die Taubman Lehre








Zu gut um wahr zu sein? Eine Einführung in die Taubman Lehre
Während der Recherchen zu meinem absoluten Lieblingsthema – dem Klavierspiel im Allgemeinen und der Frage, wie meine Klaviertechnik verbessert werden könnte – stieß ich zu meiner großen Überraschung auf ein Buch, das vorgibt, sich mit Klavierpädagogik zu beschäftigen, jedoch einige der wichtigsten Entwicklungen auf diesem Gebiet völlig ignoriert.Meine Nachforschungen im Internet und in der Bibliothek resultierten in ganz unterschiedlichen Ansätzen - meist wenig fokussierten Beiträgen, sehr persönlichen und vagen Kommentaren, und einer ganzen Menge widersprüchlicher und eher verwirrender Informationen.Es scheint, als ob es keine klare Definition in Sachen Klaviertechnik gibt, und keine klare Richtlinie, was diese bewirken sollte, und schon gar keine Erklärung dafür, warum das Thema ‘Klaviertechnik’ die Welt der Pianisten und Klavierlehrer in feindliche Lager unterteilt. In diesem Minenfeld verschiedenster Theorien gibt es keine zwei Ansätze, die einander gleichen, und die Kluften, die sich zwischen ihnen auftun, scheinen unüberbrückbar.Vieles von dem, was als Allgemeinwissen gehandelt wird, besteht bei näherer Betrachtung aus nichts mehr als überholtem und unüberprüftem Material, das von einer Lehrergeneration an die nächste Generation leicht zu beeindruckender Klavierschüler weitergereicht wurde.Für die meisten unter uns Pianisten gab es in der Kindheit eine übermächtige Autorität, die unsere naïve Neugier und unschuldige Liebe zum Klavier lenkte. Wir tragen die Erfahrung dieser wichtigen Beziehung – ob positiv oder negativ – für den Rest unseres Lebens mit uns herum.Zweifelsohne ist die Rolle des Klavierlehrers eine sehr wichtige, und es gibt endlos viele Möglichkeiten, die einem guten oder nicht ganz so guten Pädagogen zur Verfügung stehen, einen Klavierschüler entweder zu befähigen oder ihm zu schaden. Natürlich gibt es viele Lehrer, die ihren Schülern erlauben, ihrer inneren Stimme zu folgen, wenn sie sich mit den grossen Meistern beschäftigen, und die ihnen auf diese Art und Weise beibringen, was Musik wirklich bedeutet.Aber wer hat nicht schon von einem Lehrer gehört, der viel zu streng war, und allen Spass am Klavierspiel verdarb, und zwar derart gründlich, dass der Schüler am liebsten aufgegeben hätte? Und dann gibt es auch wieder diese engelsgleichen Lehrer, immer geduldig und geradezu die Hände ihrer Studenten haltend.Andere Lehrer sind stolz auf die historische Verbindung eines aufstrebenden jungen Künstlers zu den grossen Traditionen der Meister. Wie oft schon haben wir gehört: ‘Sie war Klavierschülerin dieses oder jenes Lehrers, dessen Vorgänger auf Liszt selbst zurückgehen.’Aber hilft das dem Klavierschüler wirklich dabei, bessere Werkzeuge für sein Spiel zu erwerben, oder überhöht es lediglich das Selbstvertrauen des Klavierschülers? Wie nützlich kann es sein, das eigene Talent durch das Talent der Lehrer des Lehrers zu legitimieren?In Wahrheit schaffen Lehrer mit grossem Namen, aber ohne grundsolide Lehrmethoden nicht automatisch grossartige Schüler; auch wenn diese Lehrer selbst hervorragende Künstler sind, führt dies nicht immer zu Interesse an und Wissen über die Probleme und sehr spezifischen Erfordernisse eines Klavierschülers. Man könnte durchaus behaupten, dass ein Lehrer mit weniger grossem Namen, aber mehr Verständnis weitaus besser für einen Klavierschüler ist.Eine extrem unkritische Akzeptanz jeglicher Autorität, wie auch der Glaube an das ‘ohne Schmerz kein Gewinn’- Credo sind einem jungen oder auch nicht so jungen Pianisten oft sehr abträglich.Viele unserer grossen Pianisten haben und hatten Beschwerden; einige leiden unter Schmerzen auf Grund von Verletzungen. Sie vor allem sind es, die Klarheit über die verschiedenen Haltungen und Bewegungen, die die Grundlage der Klaviertechnik sind, benötigen.Je mehr man die Geschichte der verschiedenen ‘grossen Klavierschulen’ mit all ihren stilistischen Mannierismen, Ideologien und Göttern verfolgt, desto mehr stellt sich die Frage:Was passiert eigentlich wirklich an der Tastatur? Woraus bestehen die kleinsten Bewegungen, die der Spielapparatur ihre phänomenale Geschwindigkeit und erstaunliche Kontrolle verleihen? Was genau macht exaktes Timing möglich, und was beeinflusst die Tiefe und Intensität des Tastenanschlags? Wie formulieren sich die Leitsätze dieses Prozesses - vor allem die, welche mit blossem Auge nicht ohne weiteres erkennbar sind?




Taubman-Golandsky




Ein einwöchiges Seminar über die Taubman-Methode, vom Golandsky-Institut an der Universität von Princeton angeboten, beantwortete erstmalig viele meiner Fragen, die ich in Sachen Klaviertechnik lange mit mir herumgetragen hatte. Ich war der Einladung eines begeisterten Piano-Fans, wie auch ich einer bin, nach Princeton gefolgt. Die Vorlesungen und Meisterklassen des Seminars wurden von verschiedenen Lehrern des Golandsky-Instituts und seines Gründungsmitglieds und künstlerischen Leiters Edna Golandsky durchgeführt..Als ich mich Jahre später an meine erste Reaktion auf die Taubman-Methode erinnerte, realisierte ich, dass diese nicht wesentlich anders gewesen war als Edna Golanskys erste Reaktion, von der sie mir erzählt hatte:“Zum allerersten Mal in meinem Leben gab mir jemand rationale Erklärungen zum Klavierspielen und Musizieren. In all den Jahren, in denen ich Klavierunterricht genommen hatte, war nur Vages zu erfahren gewesen– trotz Einigkeit darüber, dass ich talentiert sei.”Über ihr Treffen mit Taubman im Jahre 1967 sagt Edna Golandsky: “Obwohl ich nicht wusste, auf was ich mich da einliess, verstand ich doch, dass es hier um ein völlig anderes Verständnis ging – um ein visionäres Konzept koordinierter Bewegungen, das einen systematischen Ansatz in Sachen Klavierspiel bot. Diese zierliche, Respekt einflössende Brooklyner Dame hatte durch und durch logische Antworten auf die wichtigsten Fragen zu virtuoser Klaviertechnik zu bieten.”Damals war Golandsky Studentin im Masterprogramm der Juilliard School of Music, und die hochgeschätzten Musikpädagogen Rhosina Levinne und Adele Marcus gehörten zu ihren Lehrern. Golandsky hatte mit Rückenschmerzen und körperlicher Ermüdung zu kämpfen, und fühlte, dass sie nicht mehr immer die volle Kontrolle über ihr Klavierspiel hatte.“Manchmal lief alles gut, und dann wieder nicht”, erklärt Golandsky. “Doch hier wurden zum ersten Mal Probleme analysiert und gelöst. Innerhalb weniger Wochen hatte Frau Taubman meine Rückenschmerzen, die das Ergebnis meines sogenannten ‘entspannten Spieles” mit einfallendem Handgelenk und Fingerknöcheln waren, kuriert.”
Golandsky arbeitete in der Folge 25 Jahre lang mit Taubman, und die beiden Frauen gründeten das Taubman-Institut in dieser Zeit. Als klar wurde, dass sie die Taubman-Methode zu ihrem Lebenswerk machen wollte, gründete Golandsky zusammen mit John Bloomfield, Robert Durso and Mary Moran, drei ehemaligen Lehrkräften des Taubman-Instituts, das Golandsky-Institut als eigenständige Einrichtung.Diese Serie befasst sich mit einigen der einzigartigen Beiträge der Taubman-Methode zum Thema Klaviertechnik, und gibt bewährte Tipps, die nicht nur voll entfalteten künstlerischen Ausdruck fördern, sondern auch lebenserhaltende Strategien für verletzte Pianisten bieten.
Teil I: Die Herausforderung, die Grenzen der Funktionsfähigkeit zu finden
Dorothy Taubmans Genie besteht nicht nur darin, dass sie die Ursache der Probleme für Pianisten verstand, sondern auch, dass sie einen pädagogisch soliden Ansatz zum systematischen Umlernen von Bewegungen im Sinne einer effizienten Technik entwickelte. Es geht hier um Komplexität, die zu Schlichtheit führt.Pianisten schmerzfrei zu machen und Einschränkungen aufzuheben ist laut Golandsky die Grundlage von Taubmans Ansatz. “Bestimmte physiologische Prinzipien in Bezug auf Bewegung machen Sinn und funktionieren nachweislich, und daher muss alles, was wir am Klavier tun, im Einklang damit stehen”, meint Golansky, während sie die Schatzkiste ihrer Weisheiten und Ratschläge öffnet und die Grundregeln der Methode, die sie seit vielen Jahren erfolgreich anwendet, erklärt.Regel Nr. 1:Eine der Hauptursachen für Schmerz ist die Isolierung der Extremitäten, wie z.B. der Finger, der Hände, usw. Diese sollte unbedingt vermieden werden. Das Gegenteil von ‘Isolierung’ ist ‘harmonische Ausrichtung’.Die harmonische Ausrichtung des Körperstützrahmens ist für unsere Gesundheit unerlässlich – eine Tatsache, die von vielen anderen Fachdisziplinen, wie z.B. der Feldenkrais-Methode und der Alexander-Technik immer wieder betont wird. Auf das Spielen eines Instruments angewendet gehen diese Disziplinen jedoch nicht weit genug.Unsere Untersuchung sollte also mit den Körperteilen beginnen, die am Klavierspiel beteiligt sind. Nennen wir diese Körperteile die “Spielapparatur”.Da sind zuerst einmal die Finger - die einzigen Körperteile, die die Tasten direkt berühren. Die Hand, die mit den Fingern verbunden ist, ist ihrerseits mit dem Unterarm verbunden, und der wieder mit dem Arm.Das Wort ‘Koordination’ definiert sich als ‘Ordnen der Einzelteile eines Ganzen’. Um einheitliche Bewegung zu erlangen, müssen Finger, Hand und Arm immer miteinander verbunden und einander in natürlicher verlaufender Ausrichtung zugeordnet sein.Um diese natürliche Harmonie aufrechtzuerhalten, müssen wir die Position der Fingerknöchel untersuchen. ‘Hohe’ Fingerknöchel erschweren schnelle Bewegungen und fordern den Fingern eine extreme Gelenkbewegung ab. Werden die Fingerknöchel nach oben gezogen, beschränkt dies ihre Fähigkeit sich zu öffnen, was wiederum zu einem Unterbrechung der harmonischen Ausrichtung des Spielapparatus führt..Die Sitzhöhe ergibt sich aus der Notwendigkeit eines einheitlichen Spielapparatus. Zu hohes oder zu niedriges Sitzen beeinflusst die erfolderliche Koordination negativ. Die Länge des Oberarms sollte der Massstab für die Sitzhöhe sein. Um Gleichgewicht an der Tastatur zu erreichen, muss der Ellbogen mit der Oberfläche der Tastatur auf mehr oder weniger gleicher Höhe sein. Bei langem Oberarm sollte die Sitzhöhe also höher sein als bei kurzem Oberarm.Der Pianist und das Gesetz der BewegungRichtige Bewegungen sind für eine harmonische Ausrichtung unerlässlich, und ermöglichen ein Maximum an Lockerung und Geschwindigkeit. Unsere Gelenke sind die Fixpunkte für die Bewegung der Extremitäten; sie dienen sozusagen als Hebelpunkte. Zu niedrige oder einfallende Gelenkknöchel erschweren die Bewegung der Finger. Um eine falsche Position auszugleichen, werden die falschen Muskeln gefordert. So kann es z.B. vorkommen, das die Rückenmuskulatur bei einfallenden Fingerknöcheln involviert wird. Dies gilt auch für das Handgelenk. Wenn diese Hebelpunkte jedoch richtig plaziert sind, kann sich der gesamte Spielapparatus schnell und frei bewegen.Man könnte einwenden, dass ein ‘Wunderkind’ diesen Grundregeln ganz natürlich folgt, und daraus schliessen, ein ‘natürlicher’ Gebrauch, der weder eines bewussten Denkvorgangs noch der Analyse bedarf, beweist, dass eine effiziente Technik keine Frage von Muskeltraining an sich sein kann.Die gute Nachricht ist, dass Musiker, die keine Wunderkinder waren, trotzdem lernen können, genauso frei und leicht zu spielen wie diese. Es ist alles eine Frage des Antrainierens korrekter Bewegungen unter der Aufsicht eines erfahrenen Lehrers oder einer erfahrenen Lehrerin.Die Darwinisten unter uns mögen argumentieren, dass Talent gottgegeben ist, und sich daher nicht modifizieren lässt; die meisten würden jedoch geltend machen, dass künstlerische Kompetenz und Bescheidenheit die Markenzeichen eines wahren Künstlers sind.Es gibt keinen Grund, warum sich ein voll ausgebildeter Pianist nicht weiterbilden sollte. Keine andere Disziplin erteilt ihren Künstlern ‘ein für alle Mal’ höchste Anerkennung. Im Gegenteil – es ist das ständige Wachsen des Künstlers oder der Künstlerin, als Mensch und als Künstler, das Respekt schafft.“Einige berühmte Pianisten, wie z.B. Leon Fleisher und Gary Graffman, gaben ihre Verletzungen in den letzten Jahrzehnten offen zu”, sagt Edna Golandsky. Diese Verletzungen sind nichts wirklich Neues.”Und der polnische Pianist Ignaz Paderewski schreibt: “Ich hatte mich an den ständigen schrecklichen Schmerz in meinen Arm gewöhnt, und auch gelernt, mit den vier Fingern meiner rechten Hand zu spielen, und meinen Willen und meine Nerven an diese Qual anzupassen. Ich hatte das Gefühl – und meine Ärzte teilten es – dass ich nie mehr spielen würde.”Einige von Rachmaninoffs Briefen sind ebenfalls sehr aufschlussreich: “Ich bin sehr müde und meine Hände schmerzen. Jede zusätzliche Handbewegung tut mir weh.” Und er fährt fort: “Meine Konzertsaison ist zu Ende, und meine Hände fühlen sich an, als hätten sie jegliches Gefühl verloren. Je müder ich bin, desto mehr Schmerzen habe ich.”Golandsky schliesst daraus: “Es ist offensichtlich, dass es auf unserem Gebiet seit mehr als einem Jahrhundert Probleme immensen Ausmasses gibt. Wir sollten uns daher ein für alle Mal eingestehen, dass ein Ignorieren bestimmter physiologischer Gesetze und Grundregeln in Sachen Bewegung, und ein Mangel an Bewusstsein bezüglich der Funktion des Klaviers unweigerlich auf Kosten des Körpers geht. Diese Regeln und Gesetze sind universell, und basieren auf Körperbau und Bewegung, sowie auf der Funktion des Klaviers.”Und weiter: “Wenn wir nicht lernen, was es bedeutet, sich gesund und koordiniert zu bewegen, werden sich die körperlich einschränkenden und psychisch verheerenden Konsequenzen, unter denen so viele Musiker gelitten haben und noch leiden, nicht umgehen lassen. Wir haben das Werkzeug, die Technik und das Wissen, dies zu vermeiden.Kurzum: Klavierspiel sollte und muss nicht schmerzhaft, sondern eine wirkliche Freude sein.Ist diese Vision wirklich zu gut um wahr zu sein?Oder handelt es sich hier um eine machbare Realität, die mit richtigem Werkzeug und Wissen geschaffen werden kann?Fortsetzung folgt.
Themen der nächsten Folge:Pianisten sprechen über ihre Erfahrungen mit der Taubman-Methode und deren kontinuierlichenEinfluss. Und: Erfolgsgeschichten aus dem Golandsky-Institut.

Ein Treffen mit Gabriela Montero






Ich erinnere mich noch genau an einen meiner Besuche im Tower Records-Laden an Manhattans Upper West Side, den es jetzt nicht mehr gibt. Wӓhrend sich die Kunden durch die etwas chaotischen Berge von CDs arbeiteten, lief im Hintergrund Chopins “Fantaisie-Impromptu” ȕber die Lautsprecheranlage. Das war im Jahr 2005, und Gabriela Montero hatte gerade ihre erste CD auf EMI verӧffentlicht – eine Mischung aus beliebten Klassikern wie Chopin, Liszt, Rachmaninov und Scriabin, und – als Homage an ihre sȕdamerikanische Heimat – de Falla und Ginestra. Ich war sofort begeistert.Welch schӧne Erinnerung! Wie sehr ich es vermisse, durch CD-Hȕllen zu stӧbern, die Portraits der verschiedensten Kȕnstler zu erkennen und dabei der Musikauswahl des Verkaufteams zuzuhӧren! Heute gibt es fast keine Musiklӓden mehr in Manhattan, in denen man kramen kann und nach Neuerscheinungen oder Sondereditionen suchen – ein Vergnȕgen, das einfach nicht zu ersetzen ist ...
Und so lauschte ich Gabriela Montero zum ersten Mal bei Tower Records. Ich hatte nie zuvor von ihr gehӧrt – sozusagen eine Neuentdeckung, zumindest fȕr mich.
Natȕrlich liebe ich Chopin (wer tut das nicht?), und obwohl die “Fantaisie Impromptu” derart bekannt ist, dass die jȕngere Generation von Musikern fast schon Abstand von dem Werk nimmt, gab Monteros Interpretation dem Stȕck eine neue Tiefe. Es schien, als ob es vӧllig ȕberarbeitet worden war – eine erfrischende Interpretation, die durch ihre Exaktheit, Brillianz und perfekt harmonische Form beeindruckte, Die Beilage zu Monteros CD klassischer Stȕcke war jedoch die eigentliche Ȕberraschung – Gabriela Monteros aussergewӧhnliche Improvisationen klassischer Werke.
Als sie 2006 ihre nӓchste CD, “Bach and Beyond”, verӧffentlichte – ein Album, das sich ausschliesslich aus Improvisationen zusammensetzte – war mir klar, dass es sich hier um eine selten talentierte Pianistin handelte, die frȕher oder spӓter Aufmerksamkeit erregen wȕrde, und dies in grossem Rahmen.
Genau so kam es denn auch. Heute, lediglich vier Jahre spӓter, ist die attraktive junge Frau ein Piano-Superstar und nahm an President Obamas Inauguration-Feierlichkeiten teil.
Gabriela Montero wurde in Caracas in Venezuela geboren und hatte ihren ersten ӧffentlichen Auftritt mit fȕnf Jahren. Ihr Konzertdebut mit dem Jugendorchester von Venezuela unter der Leitung von Jose Antonio Abreu fand bereits drei Jahre spӓter statt. Letzterer Auftritt fȕhrte zu einem Stipendium in den Vereinigten Staaten.
Nach zehn Jahren Unterricht in Miami war Gabriela Montero jedoch jegliche Motivation abhanden gekommen.. “Ich sah keinen guten Grund mehr, Musikerin zu sein”, sagte sie mir, als ich sie kurz vor ihrer Prӓsentation als Moderatorin einer Wohltӓtigkeitsveranstaltung fȕr die Boston Philhamoniker an der Bar des Charles Hotels in Boston traf. “Ich wusste sehr wohl, warum alle wollten, dass ich Musikerin blieb, aber ich habe schon immer damit gekӓmpft, einen Platz fȕr Musik in meinem Leben zu finden. In vielen Phasen meines Lebens habe ich diese Gefȕhle unterdrȕckt. Schon zweimal habe ich ganz aufgehӧrt, aber dann kam die Musik immer wieder zurȕck, und stӓrker als zuvor.”
Fȕr kurze Zeit kehrte Montero nach Caracas zurȕck, um nach dem Sinn des “wirklichen Lebens jenseits des Klaviers” zu suchen, und arbeitete unentgeltlich in Krankenhӓusern. Aber die Musik in ihrem Kopf (das 24-Stunden-Radioprogramm, wie sie es nennt) erlaubte ihr nicht, ihrem Instrument zu entkommen.Sie bewarb sich fȕr ein Stipendium an der London Academy of Music und bekam es auch. Hamish Milne, ihr Londoner Lehrer, half ihr, die Liebe zum Klavier neu zu entfachen, und im Jahre 1995 gewann sie im Alter von 25 Jahren mit einem Auftritt, der ihre rare physische und emotionale Verbindung zu ihrem Instrument und zur Musik ganz allgemein bewies, die Bronze-Medaille des Chopin-Wettbewerbs in Warschau.
Aber dann fȕhrte sie ihr Leben nach Montreal, wo sie ihre erste Tochter grosszog, und wo sie wieder einmal ein Leben jenseits der Musik plante – dieses Mal eine berufliche Laufbahn als Psychologin. Es sollte weitere sechs Jahre dauern, bis die Begegnung mit Martha Argerich – vielleicht die weltweit einflussreichste weibliche Pianistin schlechthin – schliesslich Gabrielas Genie freisetzte.
“Es war ihre positive Verstӓrkung”, erklӓrt Gabriela. “Ich hatte sie vorher schon einmal getroffen, aber nie persӧnlich mit ihr gesprochen. Sie trat mit Maestro Dutoit in Montreal auf und ich kontaktierte sie. Sie wollte mich sehr gern auf eine Tasse Kaffee treffen, und lud mich ein, nach einer ihrer Proben fȕr sie zu spielen. Es wurde ziemlich spӓt, und ich hatte bereits ein Bier oder auch zwei getrunken, wӓhrend ich auf sie wartete, als mich ihr Manager um etwa 1.30 Uhr morgens zu ihr herein rief. Nach etwas Beethoven und Schumann fing ich an zu improvisieren.” Es war hier, im Place des Arts in Montreal, dass diese ganz persӧnliche Begegnung zweier Pianistinnen und Frauen Gabrielas Karriere grundlegend neu definierte.
“Mir wurde klar, welch wichtige Rolle meine Improvisationen schon immer fȕr meine gesamte Identitӓt als Kȕnstlerin und meine Verbindung zur Musik gespielt hatten. Martha half mir dabei, dies endlich zu sehen, und ihre Unterstȕtzung bedeutete mir alles.”
Gabriela sagt, dass fȕr ihre Musiklehrerin in Miami die Welt ausschliesslich aus Wettbewerben bestanden hatte, und dass Gewinnen alles fȕr sie gewesen war. “Es hatte nichts mit Inspiration zu tun. Sie erlaubte mir lediglich, Aufnahmen von Arrau zu hӧren, und obwohl sie mir technisch gesehen nicht schadete, hat sie mich doch vom Improvisieren abgehalten; sie wollte einfach nichts davon hӧren.”
Die Tradition der Improvisation wird in der Musikliteratur ausfȕhrlich beschrieben, und viele Komponisten waren gleichzeitig auch Meister dieser Kunst. Im 20. Jahrhundert verschwand sie jedoch aus der klassischen Musik, und beschrӓnkte sich fast ausschliesslich auf die Welt des Jazz.
Dank der entschiedenen Unterstȕtzung durch Martha Argerich, die Gabriela auch weiter empfahl und sie alljӓhrlich zu ihrem “Progetto Martha Argerich” nach Lugano einlud, wurde das Improvisieren fȕr Gabriela zu einer ganz persӧnlichen Form der Verbindung zwischen Klavier und Publikum. “Ungefӓhr 95% meiner Improvisationen sind im klassischen Stil,” sagt sie. “Es passiert einfach. Ich lege meine Hӓnde aufs Klavier und es ist fast wie eine Erfahrung, die ausserhalb meines Kӧrpers stattfindet. Ich bin nicht mehr Teil des Prozesses, und dann auch wieder ganz und gar Teil davon. Ich sehe einfach zu, wie alles wӓchst und erlaube freie Entfaltung, ohne den Prozess einzuschrӓnken oder zu dirigieren. Es ist alles eine Sache des jeweiligen Momentes, und eine sehr befreiende Erfahrung – die musikalische Freiheit der Entfaltung, ohne ihr im Weg stehen zu wollen, und ohne sie aufzuhalten.”
Gabriela fȕgt hinzu, sie verstehe nicht, dass manche Leute Improvisation lehren. “Bei mir geht es immer um Intuition. Es wӓre grossartig fȕr mich, wenn ich jemandem beim Improvisieren klassischer Musik zusehen kӧnnte,” sagt sie. “Bis in meinen 30igern dachte ich immer, dass jeder Pianist zu Hause privat improvisiert. Es war ganz natȕrlich fȕr mich, und mir war nicht bewusst, dass es etwas derart Besonderes war. Meine Familie und meine Freunde wussten immer darȕber Bescheid.”
Gabrielas Verbindung zu anderen Menschen ist sehr persӧnlich. Als ich sie traf, sprach sie auch ȕber die “ȕblichen Herausforderungen im Leben einer Mutter (ich bin ebenfalls Mutter). Sie war gerade von einem Klavierkonzert ihrer jȕngeren Tochter gekommen und erwӓhnte den Druck, ihren Tӧchtern auch wirklich genug Zeit zu widmen. Als alleinerziehende Mutter und Musikerin, die das ganze Jahr ȕber sehr oft auftritt, weiss Gabriela die Unterstȕtzung ihrer eigenen Mutter, die immer fȕr sie da ist, wenn sie auf Tournee ist, sehr zu schӓtzen.
Neben ihrer Arbeit spielt auch ihre Heimat Venezuela, die sie jedes Jahr besucht, eine grosse Rolle in ihrem Leben. Gabrielas neue Heimat ist zwar Boston, aber sie vermisst die Lebensfreude, die sie in Venezuela trotz aller politischen und sozialen Probleme erlebt.
Sie interessiert sich auch fȕr ganzheitliche Ansӓtze, die Kӧrper und Geist gesund halten.
In Sachen Klaviertechnik ӓussert sie sich positiv ȕber die Taubman-Methode, die sie “… jedem, der zu einem gesunden und organischen Ansatz des Klavierspielens kommen mӧchte” empfiehlt.
Deutschland erwӓhnt sie als das Land, das ihr von Anfang an als Kȕnstlerin mit Akzeptanz entgegen kam. “Deutschland war wundervoll – Improvisation nahm bei meinen Konzerten einen wichtigen Platz ein, und das deutsche Publikum verstand mein Improvisieren, fragte danach, und gab mir Applaus. Improvisation war mehr als eine Kuriosität fur dieses Publikum – sie konnten nicht genug davon hӧren.”
So ȕberrascht es denn auch nicht, Gabrielas Publikum – und das gilt nicht nur fȕr Deutschland - immer wieder voller Bewunderung fȕr ihr scheinbar grenzenloses Talent und ihre Virtuositӓt zu erleben.
Ihre “Baroque Improvisations”- CD kam im Juni 2007 bei Londons Abbey Road Studios heraus, und stellt die einmalige Mischung aus klassischem Repertoire und Improvisation vor, die zu Monteros Markenzeichen geworden ist. Im Februar 2008 erschien unter dem Titel “Baroque” die Folge - CD bei EMI. Es gab sehr viel Beifall fȕr diese CD, unter anderem auch vom BBC Music Magazine und von Classic FM. Gabrielas “Bach and Beyond”- CD erhielt den “Choc de la musique de l’annee”-Preis 2006 des franzӧsischen Magazins “Le Monde de la Musique”. Im selben Jahr gewann Gabriela auch den “Keyboard Instrumentalist of the Year”- Preis bei der ECHO - Verleihung in Mȕnchen, und ein Jahr darauf erhiehlt sie den ECHO “Klassik ohne Grenzen”-Preis fȕr “Bach and Beyond”. Ihre letzte CD, “Baroque”, wurde 2009 fȕr die Grammys nominiert, und zwar gleich in zwei Kategorien, “Best Crossover” und “Best Producer”. Gabriela Montero wurde auch in der Sendung “60 Minutes” des amerikanischen Fernsehsenders CBS vorgestellt.
Eine Duo-Partnerschaft verbindet sie mit dem franzӧsischen Cellisten Gautier Capucon. Im Jahre 2009 traten die beiden zusammen in Europa auf, und auch fȕr das Jahr 2010 sind viele Engagements geplant.

Carnegie Hall und Shanghai Tang feiern den Chinesischen Pianisten Lang Lang


Carnegie Hall und Shanghai Tang feiern den chinesischen Pianisten Lang Lang
Anlässlich des “Ancient Paths - Modern Voices” Festivals, mit dem die Carnegie Hall chinesische Kunst und chinesische Künstler zelebriert, fand am 26. Oktober in der luxuriösen Madison Avenue - Boutique von Shanghai Tang ein Cocktailempfang zu Ehren Lang Langs statt.Sir Clive Gillinson, Executive und Artistic Director der Carnegie Hall, nutzte die Gelegenheit, um auf Langs aussergewöhnliche Karriere sowie auf die von ihm gegründete Lang Lang Music Foundation aufmerksam zu machen. Lang Lang liess es sich nicht nehmen sicher zu stellen, dass der eigens für diesen Event entworfene Schal aus blauer Seide auch Sir Clive Gillinson präsentiert wurde.
Die Tatsache, dass der mit gelb-goldenen Konzertflügeln übersäte Schal während des Festivals auch in der Carnegie Hall - Boutique käuflich zu erwerben ist zeigt, dass klasssiche Musik und kleveres Marketing kein Gegensatz mehr sind. Sie können durchaus auch einem guten Zweck dienen. So wird zum Bespiel der Gewinn aus dem Verkauf dieses attraktiven Artikels der Lang Lang Foundation zugeführt. Diese setzt sich für die Förderung chinesischer Jungtalente ein.
Das “Ancient Paths - Modern Voices” Festival wurde mit enormem Aufwand inszeniert. Nicht nur die Palette der Veranstaltungen ist beeindruckend, sondern auch die Anzahl der Aufführungsorte innerhalb New Yorks. Einem breiten Publikum soll auf diesem Weg die Möglichkeit gegeben werden, sich chinesischer Kultur anzunähern.
Das Angebot mit seinen Darbietungen aus Kunst, Film und Musik hat aber auch einen nicht zu unterschätzenden politischen Aspekt. So setzt sich das Komitee der Ehrengäste aus den ehemaligen Präsidenten George W. Bush, Bill Clinton und Zhou Wanzhong, dem chinesichen Botschafter in den USA zusammen.
Lang Lang ist neben Künstlern wie Yo-Yo Ma einer der Superstars des Festivals.Um das Phänomen seines Erfolgs begreifbar zu machen empfiehlt sich die Lektüre seiner Autobiographie “Journey of a Thousand Miles”.Was Lang Lang die ‘Reise der tausend Meilen’ nennt, begann mit den Auswirkungen der chinesischen Kulturrevolution. Eltern, die ihr eigenes künstlerisches und intellektuelles Potential nicht verwirklichen durften, setzten nun alles daran, ihren Kindern die Möglichkeiten zu eröffnen, die ihnen selbst genommen worden waren.
Lang Langs Weg zum Superstar westlicher Prägung wurde nur durch grössten persönlichen Einsatz und auch persönliche Opfer seiner gesamten Familie ermöglicht. Lang Lang schildert seine Konflikte offen und in sehr eindringlicher Weise.Sein Beispiel inspiriert inzwischen nicht nur Tausende junger Chinesen, sondern hat auch der klassischenMusik im Westen zu einem neuen Image verholfen.
Dank Lang Lang müssen sich junge, als klassische Musiker ausgebildete Künstler inzwischen nicht mehr zwischen einer ‘künstlerisch gediegenen’ und einer modernen und ‘hippen’ Identität entscheiden.
Es mutet nun nicht unbedingt mehr als Unding an, dass ein relativ junger Künstler qualitativ hochrangige Leistung bringt, als glaubwürdig und integer gilt und sich zudem noch eines Weltruhmes erfreut, der auch finanziell voll ausgewertet werden kann.Und nicht nur Pop- und Filmstars setzen ihren Bekanntheitsgrad zu Gunsten humanistischer Anliegen ein. Auch klassische Musiker wie Lang Lang, der sich im Jahre 2004 für die UNICEF in Sansibar einsetzte, sind heute für politische und soziale Anliegen ansprechbar.
Die Musikkritik mag sich über die Wertung und Einordung des Phänomens Lang Lang uneinig sein – eines ist jedoch gewiss: Der Einfluss des ‚Posterboy’- Effekts ist für die Marketing-Bestrebungen einer ganzen Generation junger klassischer Künstler sehr wichtig geworden. Nie zuvor waren Kunst und ihre Vermarktung so eng verbunden als durch Power-Präsentationen von Künstlerpersönlichkeiten. Auch fand die Kommunikation des Künstlers mit seinem Publikum nie durch derart vielfältige Kanäle und auf so persönlicher Ebene statt.
Nach den Veränderungen innerhalb der Musikindustrie durch den Einfluss des Internets sind denn auch bestimmte Umstrukturierungen der Absatzmärkte unausweichlich geworden. So setzen Steinway and Sons darauf, Verkaufsrückgänge ihrer Klaviere im Westen durch ein kindgerechtes, mit Tafeln versehenes ‘Lang Lang – Klavier’ wett zu machen, das auch im Fernen Osten angeboten werden soll. Dieses Klavier soll Kindern erlauben, ihrer Kreativität auch unabhängig vom eigentlichen Klavierspiel freien Lauf zu lassen.

Simone Dinnerstein












Ich bewundere Simone Dinnerstein schon sehr lange und bereits vor unserem ersten Mal aufeinandertreffen.Bereits 2000 hatte ich sie beim Schumann-Konzertwettbewerb an der Juilliard School gehört, und obwohl Jeremy Denk, der gegen sie angetreten war, den Wettbewerb gewann und mit dem Juilliard-Orchester spielen durfte, war ich sehr von ihrem Spiel beeindruckt und so fing ich an, mich für die junge Pianistin zu interessieren. Ich war dann auch keineswegs überrascht, als ich Jahre später erfuhr, dass ihre Konzertaufnahmen, die nach ihren Auftritten mit Bachs Goldberg-Variationen im März 2005 und ihrem Debut in der Weill Recital Hall der Carnegie Hall im November 2005 entstanden waren, äußerst erfolgreich waren. Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.
“Meine Karriere war weniger geplant als dass sie einfach passierte”, erzählte sie mir. "Die Goldberg-Variationen waren ein grosses Project. Ich musste nicht nur mit Hilfe meiner Freunde das Geld für die Aufzeichnung beschaffen, sondern ich musste auch einen Produzenten finden, und dann ein Tonstudio. Motiviert hat mich die Tatsache, dass ich mit den Goldberg-Variationen bereits über mehrere Jahre hinweg öffentlich aufgetreten war. Ich fühlte, dass ich einen individuellen Beitrag leisten konnte, und wollte das auch dokumentieren. Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, wohin mich das alles führen würde.” Sie fährt fort: “Ich wusste nicht, ob sich ein Label finden liesse. Dann bearbeitete Adam Abeshouse die Goldberg-Arie und die ersten fünf Variationen, und stellte die Aufzeichnung ein paar Leuten in der Musikindustrie vor. Plötzlich wollte man mit mir reden. Wo immer es schwierig gewesen war, meinen Fuss in die Tür zu bekommen, wollte man mich nun ‘live’ hören.”Ein ihr bis dahin unbekannter Musikliebhaber aus Israel war bereit, ihr erstes Konzert zu sponsern, und dann lernte Dinnerstein Tanja Dorn von IMG Artists kennen, die später ihre Agentin werde sollte. Ihre Karriere nahm ihren eigenen unverhofften Verlauf. Trotzdem: Dinnerstein bleibt mit beiden Beinen fest auf der Erde. Auf die Frage, wie sie mit der Tatsache klarkommt, als Ehefrau und Mutter gleichzeitig den Anforderungen einer sich rapide entwickelnden Karrriere genügen zu müssen, sagt sie mir: “Ich werde immer nach meinem Sohn gefragt. Für meine männlichen Kollegen scheint diese Frage weit weniger Gewicht zu haben, obwohl es unter ihnen viele Väter gibt, die sich ganz bewusst dafür entschieden haben, in ihrer Karriere kürzer zu treten, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Diese Situation scheint für Frauen immer noch konfliktreicher zu sein.Und sie fügt hinzu: “Natürlich ist es sehr wichtig für mich, mit meiner Familie zusammen zu sein. Was meine Abwesenheit von zu Hause betrifft, versucht mein Manager, auf mich einzugehen. Ich bin nie länger als zwei Wochen unterwegs. Ich versuche ausserdem, meine Zeit genau einzuteilen, in Zeit für meine Privatsphäre mit meinem Mann und Sohn, und in Zeit für Proben und Konzerte. Das Schwierigste ist, immer da voll präsent und fokussiert zu sein, wo man gerade ist. Es ist leicht, sich ablenken zu lassen, und obwohl wir Frauen angeblich gut im ‘Multitasking’ sind, ist es eine ständige Herausforderung, die richtige Balance zu finden.”

Dinnerstein spricht über die verschiedenen Methoden, die sie ausprobiert hat, um für die Bewältigung ihrer täglichen Anforderungen Hilfe zu finden – Yoga und Meditation zum Beispiel. Aber sie räumt ein, dass es “letztendlich immer darauf ankommt, wie man mit dem psychologischen Druck umgeht, und dass man notwendigerweise effektiv delegiert.”
Es sei sehr hilfreich, dass ihr Mann Lehrer an der Schule ihres Sohnes ist, meint sie, und dass sie sich so wenigstens keine Sorgen darum machen muss, wie ihr Sohn in die Schule kommt, wenn sie auf Reisen ist. “Trotzdem muss ich erst einmal loslassen, und das ist nicht immer einfach. Es ist immer ein Kompromiss.”
Ihre ausgeprägte Persönlichkeit und ihr Realitätssinn machen Simone Dinnersteins ausgesprochen bodenständigen Charakter aus. Und genau so möchte sie auch gesehen werden. Ihre eher zurückhaltende Art zeigt sich auch bei ihren Auftritten. “Ich kleide mich gern leger für meine Konzerte”, meint sie. “Dramatische Abendkleider finde ich etwas antiquiert.”
Bei ihrem Debut in der Avery Fisher Hall am 7. Juli diesen Jahres trug sie eine schwarze Hose und eine ärmellose violette Bluse. Ihre bescheidene Gardarobe und ihr freundliches Auftreten taten jedoch der Intensität ihrer Darbietung, die sie sämtliche musikalische Gesten auskosten liess ohne je überdramatisch zu wirken, keinerlei Abbruch.

Meine Londoner Lehrerin, die Schnabel-Schülerin Maria Curcio, mit der ich eine kurze Zeit arbeitete, war sehr ‘körperbetont’, und hat auch Aspekte der Alexander-Technik in ihren Unterricht integriert”, erklärt mir Dinnerstein. “Ich bin sehr entspannt am Klavier; ich fühle meinen Körper, wenn ich spiele.”“Es muss eine totale Verbindung zwischen Technik und Musik geben”, sagt sie. Im heutigen Konservatorium liegt der Schwerpunkt auf Technik als Fazilität. Manche Studenten entwickeln sich erfolgreich mit dieser Methode; meine Stärke war das nie. Für mich muss der musikalische Ausdruck die treibende Kraft hinter der technischen Finesse der Aufführung sein.” Vielleicht ist es das, was den Guardian dazu bewegte, Dinnerstein als ‘wirkliche Musikerin’ zu bezeichnen, und nicht nur als Pianistin.Gibt es Dinge, die sie bezüglich ihrer Karriere bedauert? “Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich etwas länger bei Maria Curcio geblieben oder früher zu ihr gegangen wäre. Aber was immer geschieht, geschieht aus gutem Grund. In vielerlei Hinsicht bin ich eher eine Spätentwicklerin. Ich habe mich langsam zu mir selbst hin entwickelt.” Und genau das vermittelt Dinnerstein bei ihren Auftritten.Als eine ihrer wichtigsten Erfahrungen an der Juilliard School nennt sie die Begeisterung, mit der sie bei Peter Serkin studiert hat, und auch ihre Auftritte mit dem ‘New Juilliard Ensemble’ und ‘Focus’, was wiederum zu einer wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Cellisten Zuill Bailey führte. Die gemeinsame Aufnahme von “Beethoven: Complete Works for Piano and Cello” ist 2009 bei Telarc erschienen.
Ihre unvergesslichsten Aufführungen? “Wenn das Publikum anerkennend, und nicht übersättigt reagiert”, sagt sie. “Manchmal ist es überraschend, wo das passiert. Ich komme gerade von einer Aufführung im Wiener Konzerthaus, und hatte erwartet, dass das Publikum dort sehr viel steifer ist. Zu meinem Erstaunen waren die Zuhörer auf sehr persönliche Weise engagiert. Während ich spielte, herrschte konzentrierteste Stille, und dann gab es enthusiastischen Beifall.Sie erwähnt auch ein Konzert, das sie kürzlich in einem Frauengefängnis in Baltimore gegeben hatte, und spricht darüber, wie dankbar das Publikum war, und wie dessen Aufmerksamkeit ihren Auftritt so viel bedeutsamer für sie gemacht hatte. “Es beruht eben alles auf Gegenseitigkeit”, sagt sie.Wenn sie nicht auf Konzerttournee ist, kann es sein, dass man Simone Dinnerstein und ihre Musikerfreunde an der Schule ihrer Nachbarschaft antrifft. Sie möchte dem Problem schwindender Zuhörer, vor allem unter jungen Leuten, etwas entgegensetzen, und sie möchte Menschen zusammen bringen. Zur Zeit arbeitet sie daran, ihr Konzept auf weitere städtische Schulen auszuweiten. “Ich geniesse es, wenn Musiker auf Augenhöhe mit ihrem Publikum sind. Das macht Auftritte viel natürlicher”, sagt sie. “In meiner Nachbarschaft gibt es viele Leute, die nie zu einem Konzert gehen, sei es, weil sie keinen Babysitter haben, oder weil die Anfahrt zu lang ist - was immer das Problem sein mag. Hier können sie ihre Kinder mitbringen, und die wachsen dann mit klassischer Musik auf.”Und abschliessend meint sie: “Musik sollte fester Bestandteil einer jeden Gemeinschaft werden.”Man kann ihr da nur zustimmen. Wohltemperiert aus New York verbleibe ich herzlichst : Ilona
Ich bewundere Simone Dinnerstein schon sehr lange und bereits vor unserem ersten Mal aufeinandertreffen.Bereits 2000 hatte ich sie beim Schumann-Konzertwettbewerb an der Juilliard School gehört, und obwohl Jeremy Denk, der gegen sie angetreten war, den Wettbewerb gewann und mit dem Juilliard-Orchester spielen durfte, war ich sehr von ihrem Spiel beeindruckt und so fing ich an, mich für die junge Pianistin zu interessieren. Ich war dann auch keineswegs überrascht, als ich Jahre später erfuhr, dass ihre Konzertaufnahmen, die nach ihren Auftritten mit Bachs Goldberg-Variationen im März 2005 und ihrem Debut in der Weill Recital Hall der Carnegie Hall im November 2005 entstanden waren, äußerst erfolgreich waren. Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.
“Meine Karriere war weniger geplant als dass sie einfach passierte”, erzählte sie mir. "Die Goldberg-Variationen waren ein grosses Project. Ich musste nicht nur mit Hilfe meiner Freunde das Geld für die Aufzeichnung beschaffen, sondern ich musste auch einen Produzenten finden, und dann ein Tonstudio. Motiviert hat mich die Tatsache, dass ich mit den Goldberg-Variationen bereits über mehrere Jahre hinweg öffentlich aufgetreten war. Ich fühlte, dass ich einen individuellen Beitrag leisten konnte, und wollte das auch dokumentieren. Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, wohin mich das alles führen würde.” Sie fährt fort: “Ich wusste nicht, ob sich ein Label finden liesse. Dann bearbeitete Adam Abeshouse die Goldberg-Arie und die ersten fünf Variationen, und stellte die Aufzeichnung ein paar Leuten in der Musikindustrie vor. Plötzlich wollte man mit mir reden. Wo immer es schwierig gewesen war, meinen Fuss in die Tür zu bekommen, wollte man mich nun ‘live’ hören.”Ein ihr bis dahin unbekannter Musikliebhaber aus Israel war bereit, ihr erstes Konzert zu sponsern, und dann lernte Dinnerstein Tanja Dorn von IMG Artists kennen, die später ihre Agentin werde sollte. Ihre Karriere nahm ihren eigenen unverhofften Verlauf. Trotzdem: Dinnerstein bleibt mit beiden Beinen fest auf der Erde. Auf die Frage, wie sie mit der Tatsache klarkommt, als Ehefrau und Mutter gleichzeitig den Anforderungen einer sich rapide entwickelnden Karrriere genügen zu müssen, sagt sie mir: “Ich werde immer nach meinem Sohn gefragt. Für meine männlichen Kollegen scheint diese Frage weit weniger Gewicht zu haben, obwohl es unter ihnen viele Väter gibt, die sich ganz bewusst dafür entschieden haben, in ihrer Karriere kürzer zu treten, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Diese Situation scheint für Frauen immer noch konfliktreicher zu sein.Und sie fügt hinzu: “Natürlich ist es sehr wichtig für mich, mit meiner Familie zusammen zu sein. Was meine Abwesenheit von zu Hause betrifft, versucht mein Manager, auf mich einzugehen. Ich bin nie länger als zwei Wochen unterwegs. Ich versuche ausserdem, meine Zeit genau einzuteilen, in Zeit für meine Privatsphäre mit meinem Mann und Sohn, und in Zeit für Proben und Konzerte. Das Schwierigste ist, immer da voll präsent und fokussiert zu sein, wo man gerade ist. Es ist leicht, sich ablenken zu lassen, und obwohl wir Frauen angeblich gut im ‘Multitasking’ sind, ist es eine ständige Herausforderung, die richtige Balance zu finden.”

Dinnerstein spricht über die verschiedenen Methoden, die sie ausprobiert hat, um für die Bewältigung ihrer täglichen Anforderungen Hilfe zu finden – Yoga und Meditation zum Beispiel. Aber sie räumt ein, dass es “letztendlich immer darauf ankommt, wie man mit dem psychologischen Druck umgeht, und dass man notwendigerweise effektiv delegiert.”
Es sei sehr hilfreich, dass ihr Mann Lehrer an der Schule ihres Sohnes ist, meint sie, und dass sie sich so wenigstens keine Sorgen darum machen muss, wie ihr Sohn in die Schule kommt, wenn sie auf Reisen ist. “Trotzdem muss ich erst einmal loslassen, und das ist nicht immer einfach. Es ist immer ein Kompromiss.”
Ihre ausgeprägte Persönlichkeit und ihr Realitätssinn machen Simone Dinnersteins ausgesprochen bodenständigen Charakter aus. Und genau so möchte sie auch gesehen werden. Ihre eher zurückhaltende Art zeigt sich auch bei ihren Auftritten. “Ich kleide mich gern leger für meine Konzerte”, meint sie. “Dramatische Abendkleider finde ich etwas antiquiert.”
Bei ihrem Debut in der Avery Fisher Hall am 7. Juli diesen Jahres trug sie eine schwarze Hose und eine ärmellose violette Bluse. Ihre bescheidene Gardarobe und ihr freundliches Auftreten taten jedoch der Intensität ihrer Darbietung, die sie sämtliche musikalische Gesten auskosten liess ohne je überdramatisch zu wirken, keinerlei Abbruch.

Meine Londoner Lehrerin, die Schnabel-Schülerin Maria Curcio, mit der ich eine kurze Zeit arbeitete, war sehr ‘körperbetont’, und hat auch Aspekte der Alexander-Technik in ihren Unterricht integriert”, erklärt mir Dinnerstein. “Ich bin sehr entspannt am Klavier; ich fühle meinen Körper, wenn ich spiele.”“Es muss eine totale Verbindung zwischen Technik und Musik geben”, sagt sie. Im heutigen Konservatorium liegt der Schwerpunkt auf Technik als Fazilität. Manche Studenten entwickeln sich erfolgreich mit dieser Methode; meine Stärke war das nie. Für mich muss der musikalische Ausdruck die treibende Kraft hinter der technischen Finesse der Aufführung sein.” Vielleicht ist es das, was den Guardian dazu bewegte, Dinnerstein als ‘wirkliche Musikerin’ zu bezeichnen, und nicht nur als Pianistin.Gibt es Dinge, die sie bezüglich ihrer Karriere bedauert? “Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich etwas länger bei Maria Curcio geblieben oder früher zu ihr gegangen wäre. Aber was immer geschieht, geschieht aus gutem Grund. In vielerlei Hinsicht bin ich eher eine Spätentwicklerin. Ich habe mich langsam zu mir selbst hin entwickelt.” Und genau das vermittelt Dinnerstein bei ihren Auftritten.Als eine ihrer wichtigsten Erfahrungen an der Juilliard School nennt sie die Begeisterung, mit der sie bei Peter Serkin studiert hat, und auch ihre Auftritte mit dem ‘New Juilliard Ensemble’ und ‘Focus’, was wiederum zu einer wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Cellisten Zuill Bailey führte. Die gemeinsame Aufnahme von “Beethoven: Complete Works for Piano and Cello” ist 2009 bei Telarc erschienen.
Ihre unvergesslichsten Aufführungen? “Wenn das Publikum anerkennend, und nicht übersättigt reagiert”, sagt sie. “Manchmal ist es überraschend, wo das passiert. Ich komme gerade von einer Aufführung im Wiener Konzerthaus, und hatte erwartet, dass das Publikum dort sehr viel steifer ist. Zu meinem Erstaunen waren die Zuhörer auf sehr persönliche Weise engagiert. Während ich spielte, herrschte konzentrierteste Stille, und dann gab es enthusiastischen Beifall.Sie erwähnt auch ein Konzert, das sie kürzlich in einem Frauengefängnis in Baltimore gegeben hatte, und spricht darüber, wie dankbar das Publikum war, und wie dessen Aufmerksamkeit ihren Auftritt so viel bedeutsamer für sie gemacht hatte. “Es beruht eben alles auf Gegenseitigkeit”, sagt sie.Wenn sie nicht auf Konzerttournee ist, kann es sein, dass man Simone Dinnerstein und ihre Musikerfreunde an der Schule ihrer Nachbarschaft antrifft. Sie möchte dem Problem schwindender Zuhörer, vor allem unter jungen Leuten, etwas entgegensetzen, und sie möchte Menschen zusammen bringen. Zur Zeit arbeitet sie daran, ihr Konzept auf weitere städtische Schulen auszuweiten. “Ich geniesse es, wenn Musiker auf Augenhöhe mit ihrem Publikum sind. Das macht Auftritte viel natürlicher”, sagt sie. “In meiner Nachbarschaft gibt es viele Leute, die nie zu einem Konzert gehen, sei es, weil sie keinen Babysitter haben, oder weil die Anfahrt zu lang ist - was immer das Problem sein mag. Hier können sie ihre Kinder mitbringen, und die wachsen dann mit klassischer Musik auf.”Und abschliessend meint sie: “Musik sollte fester Bestandteil einer jeden Gemeinschaft werden.”Man kann ihr da nur zustimmen. Wohltemperiert aus New York verbleibe ich herzlichst : Ilona
Ich bewundere Simone Dinnerstein schon sehr lange und bereits vor unserem ersten Mal aufeinandertreffen.Bereits 2000 hatte ich sie beim Schumann-Konzertwettbewerb an der Juilliard School gehört, und obwohl Jeremy Denk, der gegen sie angetreten war, den Wettbewerb gewann und mit dem Juilliard-Orchester spielen durfte, war ich sehr von ihrem Spiel beeindruckt und so fing ich an, mich für die junge Pianistin zu interessieren. Ich war dann auch keineswegs überrascht, als ich Jahre später erfuhr, dass ihre Konzertaufnahmen, die nach ihren Auftritten mit Bachs Goldberg-Variationen im März 2005 und ihrem Debut in der Weill Recital Hall der Carnegie Hall im November 2005 entstanden waren, äußerst erfolgreich waren. Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, mich mit Simone Dinnerstein zu unterhalten. Wir trafen uns bei “Sweet Melissa”, einem kleinen Brooklyner Restaurant in der Nähe der Schule ihres Sohnes.
“Meine Karriere war weniger geplant als dass sie einfach passierte”, erzählte sie mir. "Die Goldberg-Variationen waren ein grosses Project. Ich musste nicht nur mit Hilfe meiner Freunde das Geld für die Aufzeichnung beschaffen, sondern ich musste auch einen Produzenten finden, und dann ein Tonstudio. Motiviert hat mich die Tatsache, dass ich mit den Goldberg-Variationen bereits über mehrere Jahre hinweg öffentlich aufgetreten war. Ich fühlte, dass ich einen individuellen Beitrag leisten konnte, und wollte das auch dokumentieren. Ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, wohin mich das alles führen würde.” Sie fährt fort: “Ich wusste nicht, ob sich ein Label finden liesse. Dann bearbeitete Adam Abeshouse die Goldberg-Arie und die ersten fünf Variationen, und stellte die Aufzeichnung ein paar Leuten in der Musikindustrie vor. Plötzlich wollte man mit mir reden. Wo immer es schwierig gewesen war, meinen Fuss in die Tür zu bekommen, wollte man mich nun ‘live’ hören.”Ein ihr bis dahin unbekannter Musikliebhaber aus Israel war bereit, ihr erstes Konzert zu sponsern, und dann lernte Dinnerstein Tanja Dorn von IMG Artists kennen, die später ihre Agentin werde sollte. Ihre Karriere nahm ihren eigenen unverhofften Verlauf. Trotzdem: Dinnerstein bleibt mit beiden Beinen fest auf der Erde. Auf die Frage, wie sie mit der Tatsache klarkommt, als Ehefrau und Mutter gleichzeitig den Anforderungen einer sich rapide entwickelnden Karrriere genügen zu müssen, sagt sie mir: “Ich werde immer nach meinem Sohn gefragt. Für meine männlichen Kollegen scheint diese Frage weit weniger Gewicht zu haben, obwohl es unter ihnen viele Väter gibt, die sich ganz bewusst dafür entschieden haben, in ihrer Karriere kürzer zu treten, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Diese Situation scheint für Frauen immer noch konfliktreicher zu sein.Und sie fügt hinzu: “Natürlich ist es sehr wichtig für mich, mit meiner Familie zusammen zu sein. Was meine Abwesenheit von zu Hause betrifft, versucht mein Manager, auf mich einzugehen. Ich bin nie länger als zwei Wochen unterwegs. Ich versuche ausserdem, meine Zeit genau einzuteilen, in Zeit für meine Privatsphäre mit meinem Mann und Sohn, und in Zeit für Proben und Konzerte. Das Schwierigste ist, immer da voll präsent und fokussiert zu sein, wo man gerade ist. Es ist leicht, sich ablenken zu lassen, und obwohl wir Frauen angeblich gut im ‘Multitasking’ sind, ist es eine ständige Herausforderung, die richtige Balance zu finden.”

Dinnerstein spricht über die verschiedenen Methoden, die sie ausprobiert hat, um für die Bewältigung ihrer täglichen Anforderungen Hilfe zu finden – Yoga und Meditation zum Beispiel. Aber sie räumt ein, dass es “letztendlich immer darauf ankommt, wie man mit dem psychologischen Druck umgeht, und dass man notwendigerweise effektiv delegiert.”
Es sei sehr hilfreich, dass ihr Mann Lehrer an der Schule ihres Sohnes ist, meint sie, und dass sie sich so wenigstens keine Sorgen darum machen muss, wie ihr Sohn in die Schule kommt, wenn sie auf Reisen ist. “Trotzdem muss ich erst einmal loslassen, und das ist nicht immer einfach. Es ist immer ein Kompromiss.”
Ihre ausgeprägte Persönlichkeit und ihr Realitätssinn machen Simone Dinnersteins ausgesprochen bodenständigen Charakter aus. Und genau so möchte sie auch gesehen werden. Ihre eher zurückhaltende Art zeigt sich auch bei ihren Auftritten. “Ich kleide mich gern leger für meine Konzerte”, meint sie. “Dramatische Abendkleider finde ich etwas antiquiert.”
Bei ihrem Debut in der Avery Fisher Hall am 7. Juli diesen Jahres trug sie eine schwarze Hose und eine ärmellose violette Bluse. Ihre bescheidene Gardarobe und ihr freundliches Auftreten taten jedoch der Intensität ihrer Darbietung, die sie sämtliche musikalische Gesten auskosten liess ohne je überdramatisch zu wirken, keinerlei Abbruch.

Meine Londoner Lehrerin, die Schnabel-Schülerin Maria Curcio, mit der ich eine kurze Zeit arbeitete, war sehr ‘körperbetont’, und hat auch Aspekte der Alexander-Technik in ihren Unterricht integriert”, erklärt mir Dinnerstein. “Ich bin sehr entspannt am Klavier; ich fühle meinen Körper, wenn ich spiele.”“Es muss eine totale Verbindung zwischen Technik und Musik geben”, sagt sie. Im heutigen Konservatorium liegt der Schwerpunkt auf Technik als Fazilität. Manche Studenten entwickeln sich erfolgreich mit dieser Methode; meine Stärke war das nie. Für mich muss der musikalische Ausdruck die treibende Kraft hinter der technischen Finesse der Aufführung sein.” Vielleicht ist es das, was den Guardian dazu bewegte, Dinnerstein als ‘wirkliche Musikerin’ zu bezeichnen, und nicht nur als Pianistin.Gibt es Dinge, die sie bezüglich ihrer Karriere bedauert? “Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich etwas länger bei Maria Curcio geblieben oder früher zu ihr gegangen wäre. Aber was immer geschieht, geschieht aus gutem Grund. In vielerlei Hinsicht bin ich eher eine Spätentwicklerin. Ich habe mich langsam zu mir selbst hin entwickelt.” Und genau das vermittelt Dinnerstein bei ihren Auftritten.Als eine ihrer wichtigsten Erfahrungen an der Juilliard School nennt sie die Begeisterung, mit der sie bei Peter Serkin studiert hat, und auch ihre Auftritte mit dem ‘New Juilliard Ensemble’ und ‘Focus’, was wiederum zu einer wunderbaren Zusammenarbeit mit dem Cellisten Zuill Bailey führte. Die gemeinsame Aufnahme von “Beethoven: Complete Works for Piano and Cello” ist 2009 bei Telarc erschienen.
Ihre unvergesslichsten Aufführungen? “Wenn das Publikum anerkennend, und nicht übersättigt reagiert”, sagt sie. “Manchmal ist es überraschend, wo das passiert. Ich komme gerade von einer Aufführung im Wiener Konzerthaus, und hatte erwartet, dass das Publikum dort sehr viel steifer ist. Zu meinem Erstaunen waren die Zuhörer auf sehr persönliche Weise engagiert. Während ich spielte, herrschte konzentrierteste Stille, und dann gab es enthusiastischen Beifall.Sie erwähnt auch ein Konzert, das sie kürzlich in einem Frauengefängnis in Baltimore gegeben hatte, und spricht darüber, wie dankbar das Publikum war, und wie dessen Aufmerksamkeit ihren Auftritt so viel bedeutsamer für sie gemacht hatte. “Es beruht eben alles auf Gegenseitigkeit”, sagt sie.Wenn sie nicht auf Konzerttournee ist, kann es sein, dass man Simone Dinnerstein und ihre Musikerfreunde an der Schule ihrer Nachbarschaft antrifft. Sie möchte dem Problem schwindender Zuhörer, vor allem unter jungen Leuten, etwas entgegensetzen, und sie möchte Menschen zusammen bringen. Zur Zeit arbeitet sie daran, ihr Konzept auf weitere städtische Schulen auszuweiten. “Ich geniesse es, wenn Musiker auf Augenhöhe mit ihrem Publikum sind. Das macht Auftritte viel natürlicher”, sagt sie. “In meiner Nachbarschaft gibt es viele Leute, die nie zu einem Konzert gehen, sei es, weil sie keinen Babysitter haben, oder weil die Anfahrt zu lang ist - was immer das Problem sein mag. Hier können sie ihre Kinder mitbringen, und die wachsen dann mit klassischer Musik auf.”Und abschliessend meint sie: “Musik sollte fester Bestandteil einer jeden Gemeinschaft werden.”Man kann ihr da nur zustimmen. Wohltemperiert aus New York verbleibe ich herzlichst : Ilona